Arbeitsgemeinschaft Multiples Myelom

Arbeitsgemeinschaft Multiples Myelom (Plasmozytom, Morbus Kahler)
Online-Netzwerk für Patienten/-innen und Angehörige

Woran sterben MM-Kranke eigentlich?

Antwort auf Woran sterben MM-Kranke eigentlich?
01 Mär 2012 21:56
  • sergio
  • 479 Beiträge seit
    27. Okt 2009
Juergen,
hallo ja, mit aufgeben oder resignieren ist nix drin, besonders da jetzt die Tage schoener und laenger werden.
Die anderen haben ja schon die richtigen Worte gefunden und es ist so.
Du warst ja auch einer von denen, die mich durch ihre Willenskraft und Vorgehensweise auch bestaerkt haben in meiner Entscheidung zur allo. Und bisher ist alles gut gegangen, besser als gedacht.

Was morgen wird, weiss ja eh keiner, aber je staerker und fester das Fundament ist und , auf dem man aufbaut und weitermacht und man sich "weiterschiebt", desto erfolgversprechender ist unser Weg.
liebe gruesse

Sergio

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Antwort auf Woran sterben MM-Kranke eigentlich?
17 Mär 2012 12:18
  • gast
Hallo miteinander,

gerade habe ich mir diesen Thread von Anfang an durchgelesen und möchte kurz meine Erfahrungen mit dem Sterben meiner Schwester hinzufügen. (Wer nichts genaueres wissen will, soll nicht weiter lesen - aber wer nichts genaues wissen will, wird diesen Thread ja gar nicht anklicken).

In mancher Hinsicht hat mir ihr Sterben die Angst vor meinem Tod genommen. Denn es war doch recht friedlich und schlicht.
In den Monaten vorher waren ihr M-Gradient und andere Werte trotz verschiedener Chemos unaufhaltsam gestiegen. Sie hatte aber keine schwierigen Komplikationen gehabt wie z.B. schwerwiegende Knochenbrüche. Am meisten hatten wir uns vor einer Tetraplegie gefürchtet, weil sie ein riesiges Loch in der HWS gehabt hatte. Das war bestrahlt worden und der restliche Knochen hat bis zum Schluß gehalten.
Sie hatte aber starke Knochenschmerzen an verschiedenen Stellen und war sehr erschöpft. Gegen die Schmerzen bekam sie Medikamente, die sie dann aber immer schlechter vertragen hat. Sie hatte Schwierigkeiten mit dem Magen, erbrach z.T. die Medikamente und konnte sich nicht mehr vernünftig ernähren und auch nicht genug trinken. Daraufhin kam sie auf eine Palliativstation (es gab keine Behandlungsmöglichkeiten mehr, die Chemos halfen nix mehr) zur schmerzmedikamentösen Einstellung und für Infusionen zur besseren Ernährung.
Schmerzen, Erbrechen und Erschöpfung und zunehmende körperliche Schwäche waren die Hauptsymptome. Ihre Thrombozyten waren sehr niedrig, eine Bluttransfusion half nochmal eine Weile weiter. Sie konnte sich soweit stabilisieren, dass sie nach hause konnte. Sie wurde aber von Tag zu Tag zunehmend schläfrig und hatte in den letzten Tagen innere Blutungen (Einblutungen in die Augen, blutiges Erbrechen, vermutlich auch andere Organe, weil einfach die Blutgerinnung nicht mehr funktionierte). Das macht das Sterben relativ friedlich (habe ich mir sagen lassen), vorausgesetzt die Schmermedikation ist gut. Sie hatte am Schluß eine Schmerzpumpe und sehr gute ambulante ärztliche pallitive Betreuung. Das ist entscheident, wenn man nicht in einer Klinik ist. Über die Pumpe gab es dann keine Probleme mehr mit der Verträglichkeit der Schmerzmedikamente und sie konnte wieder ein bißchen was essen - und war vor allem auch weitgehend schmerzfrei. In den Phasen, in denen sie nicht geschlafen hat, war sie praktisch normal kommunikationsfähig und orientiert bis wenige Stunden vor dem Tod. Sie wußte genau, wer am Bett saß, obwohl sie uns nicht mehr sehen konnte. Erst am letzten Tag konnte sie nicht mehr aufstehen, vorher konnte sie mit Unterstützung noch zur Toilette. Nachdem sie das nicht mehr konnte, hatten wir Angehörige - mehrere von uns waren vor Ort und wir haben uns mit der Betreuung abgewechselt - das Gefühl, dass sie innerlich den Überlebenswillen aufgab. Sie hat dann auch nicht mehr gesprochen, aber noch sinnvoll auf unser Sprechen reagiert. In den allerletzten Stunden hat sie intensiv geatmet. Wir konnten dann nicht mehr erkennen, was in ihr vorgeht, aber nach außen hat es relativ friedlich gewirkt und schmerzlos.
Für uns, die wir dabei waren, war alles irgendwie rund und vollständig und wir waren uns einig, dass sie es gut hingekriegt hat und dass wir froh sein können, wenn wir es auch einmal so hinkriegen.

Noch eine Bemerkung:
Die Belastung der Angehörigen könnt Ihr Betroffenen übrigens auch etwas senken durch Regelung Eurer Angelegenheiten zu Lebzeiten. Denn nach dem Tod kommt für die Angehörigen ihre Erschöpfung raus und dann müssen sie sich trotzdem noch mit dem ganzen organisatorischen und juristischen Wahnsinn befassen :roll: . Ein notarielles Testament z.B. würde vieles erleichtern. Es genügt nicht, etwas handschriftlich aufzuschreiben - manches ist nachher nach deutschem Recht gar nicht umsetzbar, selbst wenn es der schriftlich erklärte Wille des Verstorbenen war! Also bitte einmal zum Notar gehen, wenn Ihr wollt, dass Euer Wille nachher auch tatsächlich geschieht und Eure Angehörigen nicht noch endlos viel Zeit und Geld für unsinnige und wirklich vermeidbare Dinge investieren müssen! Sie werden Euch dankbar sein!

Karina

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Antwort auf Woran sterben MM-Kranke eigentlich?
17 Mär 2012 12:35
  • Margret

Liebe Karina,

für diesen letzten Absatz danke ich dir besonders. Die rechtzeitigeund rechtssichere Regelung aller finanziellen und organisatorischen Angelegenheiten ist sowohl für den Patienten als auch die Angehörigen eine große Entlastung. Dazu gehören auch eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht.

(Was übrigens grundsätzlich für alle Menschen gilt und immer wieder aufgeschoben wird, obwohl man weiss, dass man es erledigen sollte...)

Ich danke dir auch für deine offene Schilderung des Sterbeprozesses deiner Schwester - ich habe es bei meinem Mann ähnlich erlebt.

Durch die sehr gute Schmerztherapie und die liebevolle Umsorgung auf der Palliativstation war es weniger "schlimm", als ich es mir in meinen Alpträumen vorgestellt hatte. Das Schlimmste fängt ohnehin erst an, wenn man den Verlust des gliebten Menschen realisiert hat und die Trauer beginnt.

Vor dem Sterben und dem Tod habe ich nach dieser einschneidenden Erfahrung jedenfalls keine Angst mehr.

Ich weiss, dass solch offene Beiträge hier gelegentlich kritisch gesehen werden, weil mancher einen zu großen Widerspruch zu seinem Kampf gegen die Krankheit und allem Lebenswillen und der Hoffnung sieht. Ich denke, dass beides geht: Mit allem Mut und aller Hoffnung kämpfen und doch realistisch bleibe und für alles vorsorgen, wofür man eben vorsorgen kann.

Nochmals danke für deinen wertvollen Bericht. Liebe Grüße,
Margret

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Antwort auf Woran sterben MM-Kranke eigentlich?
17 Mär 2012 13:15
  • gast
Liebe Margret und alle,

Du hast geschrieben: "Ich weiss, dass solch offene Beiträge hier gelegentlich kritisch gesehen werden, weil mancher einen zu großen Widerspruch zu seinem Kampf gegen die Krankheit und allem Lebenswillen und der Hoffnung sieht."

Dann habe ich hier zum Ausgleich einen Link, der den Lebenswillen stärkt - eine Frau, die vom Totenbett aufgestanden ist (Lymphkrebs), berichtet:
(leider nur für englisch-Sprachige)
www.youtube.com/watch?v=7jFN9XQeEn4&feature=share

Aber das wird einigen im Forum wiederum zu extrem positiv sein...

Liebe Grüße
Karina

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Antwort auf Woran sterben MM-Kranke eigentlich?
29 Mai 2014 16:30
  • lisa_kotschi
  • lisa_kotschis Avatar
  • 1139 Beiträge seit
    26. Okt 2009
Lieber Gast namens Ingr

habe unter "Fehlermeldungen" Deine Nachricht vom 16.5. an mich erhalten und - leider - erst heute entdeckt. Diese Funktion erlaubt keine Antwort, deshalb kann ich Dir auf Deine Frage, wie es weiter gehen könnte, nicht schreiben.

Melde Dich entweder im Forum oder schreib mir persönlich an meine private email unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

Ich hoffe, Du liest diesen Beitrag und meldest Dich.

Alles Gute
Lisa

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Antwort auf Woran sterben MM-Kranke eigentlich?
11 Aug 2018 22:21
  • Gudrun_Ursula
  • 8 Beiträge seit
    11. Aug 2018
Hallo ... an alle, hier in diesem etwas älteren Thread.

Meine Verzweiflung hat mich googlen lassen und ich bin hier gelandet.
Mein Mann (64) hat seine Diagnose, Multiples Myelom, Ende 2013 bekommen. Er hat bis jetzt gegen seinen Krebs angekämpft, beginnend mit Bestrahlung und den jeweils aktuell üblichen Mitteln, mal mit starken Nebenwirkungen, mal war es glimpflicher. Alle haben über kurz oder lang ihre Wirkung verloren. Zwei autologe Stammzelltransplantationen brachten nur insges. fünf Monate Aufschub. Nach anfangs vielen Knochenbrüchen (trotz Zometa), starker Skelettverkrümmung im Rückenbereich, starken Schmerzen, kam irgendwann die Pomalidomidbehandlung. Dieses Mittel verschaffte meinem Mann eine neue Lebensqualität, bis auch dies nach eineinhalb Jahren seine Wirkung immer mehr verlor und die Leichtketten wieder stiegen.

Das ist noch gar nicht lange her. Aber während die Ärzte noch unschlüssig waren, wie es weitergeht, musste eine Pause für jedes Krebsmedikament eingelegt werden, da mein Mann innerhalb allerkürzester Zeit hohe Entzündungswerte hatte, Lungenentzündung, einhergehend mit Blutvergiftung und Nierenversagen. Ein Krankenhausaufenthalt mit Intensivstation und danach noch Onkologie folgte. Keine drei Wochen später ging das Gleiche wieder los. Da die Ärzte in unserem Kreisklinikum nach Entlassung das MM nicht mehr behandeln wollten, mein Mann aber wenige Wochen später wieder Blutvergiftung und Nierenversagen bekam, gepaart mit höllischen Schmerzen, sind wir 150 km weit in eine Klinik der Barmherzigen Brüder gefahren. Dort war wieder Intensivstation und danach noch 10 Tage auf einem normalen Krankenzimmer nötig, danach Entlassung. Doch die Infektionswerte kamen zurück, alle diversen Breitband-AB schienen den Erreger, der trotz Anlegens einer Kultur nicht gefunden wurde, nie ganz beseitigt zu haben. Es ging wieder in die Kreisklinik, ein anderes AB gegeben, Sepsis und Nierenversagen wurden abgefangen. Nach dieser Entlassung war mein Mann aber sehr schwach, blutarm, stets müde, hat seit Mai 15 kg Gewicht verloren. Eine Therapie mit Carfilzomib, Dexamethason und anfangs schwach-dosiertem Revlimid wurde begonnen.

Nun kam der Dienstag vergangener Woche. Eigentlich ein normaler Tag. Sehr heiß, aber mein Mann war in keiner schlechteren Verfassung als die Tage vorher.

Auch wenn er schon seit Jahren Diabetiker ist, so ist sein Zucker abends aus dem Ruder gelaufen, bzw. kam er in furchtbaren Unterzucker. Ich musste den Notarzt rufen. Man brachte ihn in die nächste Klinik - auf die Intensivstation. Dort konnte alles nach einer schwierigen Nacht nochmal abgefangen werden. Am nächsten Morgen folgte aber noch ein Ultraschall, der als Zufallsbefund einen Schatten auf der Leber zutage brachte.

Dies wurde dann am Mittwoch nochmals mit Kontrastmittelgabe genauer untersucht.

Donnerstag kam dann die Ärztin und teilte uns mit, dass mein Mann doch nicht am Wochenende entlassen werden könnte, sondern am Montag in die Onkologie der Kreisklinik eingewiesen würde, da der Tumor nach ihrer Kenntnislage ein bösartiger sei. Dort werde man Zellen entnehmen und genau zu ergründen versuchen, um welche Art Lebertumor es sich handelt.

Unmittelbar nach dieser Mitteilung ging es meinem Mann mit einem Schlag schlechter. Man konnte direkt zusehen, wie sein Zustand sich verschlimmerte, Traurigkeit, Mutlosigkeit, ständiges Einnicken in minütigen Abständen, gepaart mit Verwirrtheit. Diese Verwirrtheit hat sich bis heute stark verschlimmert.

Das erste Mal in all den Jahren sagte er, dass er lieber sterben möchte.

Heute, Samstag, erkannte er auch zeitweise unseren Sohn nicht mehr.

Er öffnet seine Augen nur mehr halb oder lässt sie gleich geschlossen. Sein Blick, selbst wenn ich ihn dazu bringe, mich anzusehen, ist nun irgendwie nach innen gerichtet. Er setzt sich kaum noch auf, Stehen ist nur schwer möglich.

Essen und trinken wollte er nichts mehr. Er hängt wieder an Infusionen. Sein Wasser kann er nicht mehr halten, worunter er, auch wenn er ein wenig verwirrt ist, stark leidet. Es ist ihm furchtbar peinlich, ich weiß, er findet das entwürdigend. Er muss eine Windel tragen.

Ich bin verzweifelt, traurig, muss mich an diese schlimme Situation gewöhnen. Krank ist mein Mann seit Jahren, hatte auch wirklich schwierige und schmerzerfüllte Phasen, aber nun fürchte ich, hat das Sterben begonnen. Ich habe eine wahnsinnige Angst.

Und obwohl wir um die schwere Krankheit ja lange genug wissen, so bin ich emotional kein bisschen auf das Ende vorbereitet. Ich fühle mich einfach verloren und völlig hilflos. Wir sind seit 37 Jahren verheiratet...

Hinzu kommt, dass wir auch nicht wirklich alles geregelt haben, außer einer Patientenverfügung.

Hoffentlich wendet sich noch alles zum Besseren, aber die Anzeichen sprechen eine andere Sprache.
Mir zieht es den Boden weg...

Letzten Mai, also vor ca. drei Monaten, lebten wir noch ein nahezu normales Leben. So schnell kann sich alles ändern.
Ich fürchte mich vor morgen, vor den kommenden Tagen... vor der Zukunft.

Viele herzliche Grüße an alle Betroffenen und deren Angehörige!

Gudrun

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