Arbeitsgemeinschaft Multiples Myelom

Arbeitsgemeinschaft Multiples Myelom (Plasmozytom, Morbus Kahler)
Online-Netzwerk für Patienten/-innen und Angehörige

Woran sterben MM-Kranke eigentlich?

Antwort auf Woran sterben MM-Kranke eigentlich?
24 Nov 2010 23:18
  • leopoldi
  • leopoldis Avatar
  • 1172 Beiträge seit
    23. Okt 2009
Hallo,

fast wollt ich mirs verkneifen, aber da ,Frau' sich gern mitteilt, muss ich nun doch noch meinen Senf dazugeben.

Liebe Caro, ich habe auch Einen von der Gattung der schweigsamen Einzelkämpfer ... und trotzdem - dass mein Mann dankbar ist für meine Unterstützung, das krieg ich regelmäßig zu hören; das macht mich ehrlich gesagt auch ein bissl stolz. :oops:

Vor allem zu Anfang hab ich mir gewünscht, endlich von diesem Albtraum aufzuwachen. Zu flüchten wäre mir nach so vielen gemeinsamen guten Jahren, eben nach all dem was man zusammen erlebt und geschaffen hat, nicht eine Sekunde in den Sinn gekommen. Ebenso wenig könnte ich die Augen davor verschließen. Wenn das jemandem gelingt, mag gut sein dass derjenige mit solch einer Mentalität leichter durchs Leben geht. Aber wie gesagt; auch für mich als Angehörige - Information beruhigt und macht stark und wenns was zu Lachen gibt - dann biegen sich die Balken auch trotz des Wissens um die ungewisse Zukunft.

Von diesem Gefühl "dem Anderen nicht zur Last fallen zu wollen" ist trotzdem des öfteren zu spüren.
... in guten wie in schlechten Zeiten ... Niemand hat sich dieses Schicksal ausgesucht. ER hat es nicht verschuldet. Es hätte genau so MICH treffen können bzw. kann mich noch. Dieser Weg ist UNSER Weg und genau so werden WIR ihn ZUSAMMEN gehen. Und beim Gedanken, dass wir eines Tages diesen Kampf verlieren, tröstet mich nicht der unbeschwert erlebte Urlaub, sondern einzig wie Margret sagt - nur das Wissen um das auch GEMEINSAM gegangene schwere Stück des Weges wäre Trost.

Zu der Sache mit dem Staubkorn, gut wenn Rudi das so sehen kann. Aber zeigt die Erfahrung nicht meist, dass man sich wenn es ernst wird an jeden noch so kleinen Grashalm klammert? Dieser Wunsch, die Kinder noch heranwachsen zu sehen, vielleicht noch ein Enkelkind zu erleben, oder was auch immer. Bis der Zeitpunkt gekommen ist, an dem man nicht mehr kann und man sich nach der Ruhe sehnt ... Wenn die Kraft zu Ende geht, ist Sterben Erlösung ...

Nun ist Schluss; in diesem Sinne allen alles Gute;
Dir tapferen Margret ~ Trost,
lieber Caro ~ dass es Deinem Lebensgefährten bald wieder besser geht und die Kraft noch sehr sehr lang reicht,
und Dir lieber Rudi ~ dass die Tage der Aplasie gezählt sind, der Appetit zunimmt und freie Fahrt in eine lange CR.

LGe
Monika :wink:


~ Wenn Du meinst auf der Schattenseite zu sein, denk dran - die Erde dreht sich ~

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Antwort auf Woran sterben MM-Kranke eigentlich?
24 Nov 2010 23:37
  • Jeanny150765
  • 1161 Beiträge seit
    17. Jun 2010
Hallo,

ich finde jeder empfindet anders und das ist auch gut so.
Ich denke wie die meisten Beiträge hier,ich "muss"das mit
meiner Mutti gemeinsam gehen.
Aber vielleicht weckt es bei manchen Patienten gerade erst den
Kampfgeist.So hab ich das in Rudi`s Bericht verstanden.Das ist ebend
eine andere Art des Kampfes gegen die Krankheit.
Seine Familie wird ihn kennen und wissen,wann er Hilfe braucht.
Meine Mutti braucht mich jeden Tag.So ist das alles richtig.
LG
Jeanny

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Antwort auf Woran sterben MM-Kranke eigentlich?
25 Nov 2010 10:35
  • rudi
  • rudis Avatar
  • 2203 Beiträge seit
    22. Okt 2009
Hallo,
bei mir ist es ja ein Sonderfall. Ich bin damals als ich schon MM hatte nach Italien gezogen, obwohl ich in Deutschland Krankenversichert bin.
Ich musste aus etlichen Gründen in Deutschland gemeldet sein.
Quasi habe ich seit 2001 Dauerurlaub am Gardasee gemacht.
Die Kinder gingen/gehen dort zur Schule und meine Frau arbeitet in der Sommersaison. Sie sind integriert - ich bin Dauerurlauber.

9 Jahre bisher (3300 Tage) Dauerurlaub zusammen mit der Familie am Gardasee, wer kann das schon genießen wenn er MM hat.

Ich wusste, daß es schwieriger wird, wenn ich mal in Therapie muß, denn hier wollte ich mich immer (zunächst mal) in Deutschland behandeln lassen. Das bringt natürlich "logistische" Probleme mit sich.
Aber ich habe ja auch noch Verwandschaft in Deutschland und komme hier gut unter.
Wenn mir jetzt die Therapie gut gelingt, dann kann ich vielleicht wieder 3 - 5 oder 10 Jahre am Gardasee "Dauerurlaub" zusammen mit der Familie machen.
Und ab und zu mal ein Ausflug nach Deutschland, zur Kontrolle ist immer eine Abwechslung und ich kann gleich die Verwandschaft besuchen.
Sergio aus Florenz läßt sich auch schon in Würzburg untersuchen und überlegt dann eine eventuelle Therapie in WÜ zu machen. Das ist familiär und logistisch fast noch schwieriger als bei mir von der Entfernung her.


Heilung ist ein individueller Prozess, der sehr stark an das persönliche Bewusstsein gebunden ist. Daher kann kein Mensch einen anderen Menschen heilen sondern immer nur auf dem Weg zu seiner persönlichen Heilung begleiten.

rudiversal.wordpress.com

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Antwort auf Woran sterben MM-Kranke eigentlich?
27 Feb 2012 15:10
  • jürgenk
  • 459 Beiträge seit
    25. Aug 2011
Hallo

Woran wir MMler sterben ist bereits oben gelistet und dem ist nichts hinzuzufügen.
Allerdings bleibt die Frage nach dem Auslöser für all die gelisteten Todesursachen.
Hier glaube ich liegt es einfach am schwindenden Lebenswillen. Dieser geht uns verloren wenn wir die Perspektiven verlieren und damit die Hoffnung. Das Leben ist schön, so war es immer, ist es jetzt und wird es bleiben. Aber das Schöne daran können wir ohne Hoffnung nicht mehr erkennen. Für mich sind es jetzt blad dreizehn Jahre im Stadium IIIb. Das war eine schöne Zeit. Wenn mich die Erkrankung in den Rollstuhl zwang, war es ein tolles Erlebnis, mich zu erheben und das Hilfsmittel zu verschmähen. Mit großer Freude gelang es mir, der zur Mitleidsbekundung angerückten Familie an Krücken entgegen zu gehen. Mancher Weg war weit und beschwerlich, aber ich sah immer nur die nächste Etappe die nun vor mir lag. Bis dahin lief es doch gut, dann schaffe ich den Rest auch noch, war immer meine Überzeugung. Und ich schaffte all die kleinen und großen Hürden eben weil ich keine Zweifel am Gelingen hatte. Zudem hatte ich viel Freude am Dasein. Die Sonnenstrahlen auf der Haut streichelten die Seele, Zwitschern der Vögel war ein friedlicher Genuss für die Ohren, Farben der Jahreszeiten machen jeden Maler neidisch, Lachen von Menschen steckte mich an, die prächtig strahlende Venus vielleicht noch in einer Bahn neben Jupiter zu sehen faszinierte mich, Sitzen beim Bier in heiterer Gelassenheit zwischen freundlichen Menschen, die Runde Skat oder Partie Schach, Bewegen an frischer Luft zu Fuß oder mit dem Rad, Sport überhaupt mit anschließendem Saunagang, das Aussuchen, Zubereiten und Genießen einer leckeren Speise, all das bereicherte mein Leben und gab mir Kraft. Das kann jeder haben und erleben, es kostet nichts weiter als etwas Aufmerksamkeit für das Wesentliche. Daher ist mein Krankheitsverlauf keine besondere Leistung gewesen und könnte immer so bleiben.
Könnte. Bleibt aber nicht so.
Fast alles was mich antrieb ist mir nun genommen. Durch die Taubheit fehlt mir Wesentliches der Wahrnehmung. Schlechter werdende Augen machen auch das Lesen schwer. Dann gelingt es nicht mehr, die von der Phantasie gestreuten Geschichten zu Papier zu bringen. Selbst das Mailen fällt immer schwerer. Meine etwa sechzig Knochenbrüche sind ungünstig verteilt. Fast bedenkenlos kann ich nur noch den rechten Arm verwenden. Links ist sowohl der Oberarm als auch die Schuler gebrochen, dazu hat es den Arm ausgekugelt. Das Gelenk zu richten wird den Schaden vermutlich vergrößern. Beide Beine sind nach wie vor stark bruchgefährdet. Das schränkt in der Mobilität ein. Selbst mit Rollator ist das Gehen sehr beschwerlich und wegen der Schulter schmerzhaft. Das durch die Pneumokokkenmeningitis verlorene Gleichgewicht fehlt mir sehr. Es wirkt wie ein Vollrausch und ohne erkennbaren Grund droht ein Sturz. Bei der Überwindung der letzten Querschnittslähmung erwies sich der Schwankschwindel beim Laufen lernen als besonders hinderlich.
Man erteilte mir die Pflegestufe II nachdem ich eine Einweisung in ein Pflegeheim ablehnte. Brauche ich nicht, kann mir doch selber helfen. Nun sitze ich entgegen aller Prognosen doch zu Hause und kann mich mit Einschränkung auch selbst versorgen. Aber das Freuen fällt schwerer. in der vergangenen Woche schien die Sonne herrlich, ich sah es nur, draußen war ich nicht. In der vergangen Nacht sah ich durch das Fenster einen großen Planeten, ich kann wegen der eingeschränkten Sicht nicht einmal sagen, um welchen es sich handelte, erfreut hat er mich auch nicht in der sonst üblichen Weise.
Längst wollte ich weg vom Rollator wieder am Stock gehen. Aktiv Stehen kann ich ohne Hilfsmittel auch wieder und mit Konzentration schaffe ich einige Schritte am Stock. Bisher glaubte ich, diese wenigen Schritte einfach nur wiederholen zu müssen um weiter zu kommen. Aber Angst vor einem Sturz blockiert mich wohl. Zweifel halten mich ab, Notwendiges zu tun. Eine völlig neue Erfahrung für mich.
Jetzt beschäftigt mich die Frage, ob mein verbliebener Tatendrang nur das Ende vor sich herschiebt oder es noch einmal zu einer Verbesserung kommen kann. Ohne eine Verbesserung wird der Körper keine Lust am Erhalt haben und seine lebenswichtigen Funktionen vernachlässigen. Kommt es dazu, ist es die Resignation vor dem MM. Dann ergebe ich mich.
Demnach sterben wir nicht am Tumor, einem Herzinfarkt oder Nierenversagen sondern an Ermüdung vom erkrankten Leben. Dann hilft auch Medizin nichts. Wir folgen einem neuen Wunsch nach Ruhe.
Mir geht es noch gut genug, in der vergangenen Woche bescheinigte mir mein Onkologe verwundert die Halbierung der Leichtketten. Nun muss ich nur noch die Vitalität des Kopfes in die Beine übertragen. Dann sehe ich der Zukunft gelassen entgegen.
Jeder hat eine andere Möglichkeit, sich für das Leben zu motivieren. Nur Angst un Tatenlosigkeit scheinen eine Gefahr für unseren Körper zu sein. Zuversicht kann diese vertreiben und dem Leben Raum zur Entfaltung bieten. Dann ist kein Platz für Untaten des MM.
Euch allen eine möglichst lange Zeit ohne Beschwerden

Jürgen

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Antwort auf Woran sterben MM-Kranke eigentlich?
27 Feb 2012 19:23
  • Margret
Lieber Jürgen,

meine Erfahrung ist etwas anders...

Noch einen Tag vor seinem Tod haben mein Mann und ich auf der Palliativstation herumgealbert (ja, sowas ist auf Palliativstationen erlaubt!) und uns heimlich über die Prognosen der Mediziner amüsiert. Sie hatten uns eine Perspektive von einigen Wochen, vielleicht Monaten, gegeben. Mein Mann und ich waren trotzdem überzeugt, dass wir noch eine deutlich längere Zeit schaffen würden. Immerhin hatten wir bis dahin aus einer
Prognose von "rund einem Jahr" nach der Diagnose fast 4 Jahre gemacht.

Das war im Juli und mein Mann machte Vorschläge, wie man das Zimmer zu Weihnachten dekorieren könnte...

Zu dieser Zeit war Eberhard bis zum Brustbein völlig gelähmt, auf 24-Stunden-Komplettpflege angewiesen und alle 2 Tage dialysepflichtig, die Leichketten lagen bei knapp 20.000. Trotzdem war sein Lebenswille unverändert und er war immer noch der große, tapfere Kämpfer, der niemals freiwillig aufgeben würde.

Am nächsten Morgen fiel er unerwartet ins Koma, die Organe versagten nach und nach, er starb 10 Stunden später friedlich und ohne Schmerzen.

Wenn ich deinen Bericht lese, muss ich an die vielen schwierigen Phasen der Krankheit in den Jahren zuvor denken - oft ist es ihm so ähnlich gegangen, wie du es jetzt von dir schilderst. Und doch hat er sich immer wieder aufgerafft, stabilisiert, neuen Mut und neue Hoffnung geschöpft - mir war manchmal rätselhaft, wie er das gemacht hat.

Ob der Tatendrang, wie du schreibst, "nur das Ende hinausschiebt"? Ja, davon bin ich überzeugt. Ich würde aber das "nur" weglassen. Dann bekommt der Satz nämlich einen anderen, einen positiven, Sinn:

Der Lebenswille/Tatendrang gibt so viel positive Energie, so viel innere Kraft, dass man das MM in Schach halten und dem Leben noch Lebenswertes abgewinnen kann. Letztlich zögert das Leben ja immer "nur" den Tod hinaus... Um es auf die Spitze zu treiben: Wir alle werden gehen müssen - selbst die, die niemals krank waren.

Was bleibt? Das Hier und das Jetzt. Jeder einzelne kostbare Moment des Lebens, jede Kleinigkeit, die uns und den Menschen die wir lieben Freude und Genuß bringt. Was morgen ist... ist heute egal. Leben ist jetzt.

Ich wünsche dir von Herzen, dass es dir bald besser geht. Es wird bald Frühling, das ist eine gut Zeit für die Erholung des Körpers und der Seele!

Liebe Grüße,
Margret











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Antwort auf Woran sterben MM-Kranke eigentlich?
27 Feb 2012 20:02
  • jürgenk
  • 459 Beiträge seit
    25. Aug 2011
Danke Margret, Du bringst es auf den Punkt.
Wie mir das „nur“ in die Zeile rutschen konnte verstehe ich auch nicht.
Der Hinweis auf das nahende Frühjahr trifft ebenfalls, kurz nach Senden meines Betrags reifte bereits der Plan, wie ich daran teilhaben kann. So schlecht geht es mir also doch nicht.
Liebe Grüße
Jürgen

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