Arbeitsgemeinschaft Multiples Myelom

Arbeitsgemeinschaft Multiples Myelom (Plasmozytom, Morbus Kahler)
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Erhaltungstherapie mit Lenalidomid

Antwort auf Erhaltungstherapie mit Lenalidomid
15 Mär 2024 20:59
  • Gerda
  • 59 Beiträge seit
    24. Okt 2009
Hallo Calosum,
es gibt mehr Menschen mit MM als nur mich, die keine Erhaltungstherapie gebraucht haben nach der HD-Chemotherapie und Stammzelltransplantation.
Sicher hatte ich viel Glück, das gehört eben auch dazu.
Ich habe diese Woche ein interessantes Video gesehen, ich schicke hier den Link:
Thema: "Im Fokus: Neue Perspek­tiven bei Multiples Myelom"
www.youtube.com/watch?v=eMQXn7ulIu0
Der Herr Eisenbeisz ist z.B. auch froh, nach der Car-T-Cell-Therapie keine Medikamente nehmen zu müssen. Er erwähnt auch, dass nach der autologen Stammzelltransplantation vorgesehen ist, keine Medikamente nehmen zu müssen bis zu einem möglichen Rezidiv.
Mir wurde nach den beiden autologen Stammzell-Transplantationen 2008 gar keine Erhaltungetherapie vorgeschlagen. Ich brauchte sie also nicht abzulehnen.
Meine kritische Haltung zum Contergan muss Dir nicht gefallen. Ich schreibe solche Kommentare nicht, um Beifall dafür zu bekommen. Ich stehe dazu. Es hat seine Gründe. Es gibt gute Dokumentationen darüber, wie schwer der Nachweis war, dass Contergan Schuld an den Missbildungen der Babys war. Die Aufarbeitung dauerte auch sehr lange, bestraft von den Verantwortlichen wurde keiner und die Entschädigungssummen waren auch nicht gerade üppig.
Sicher wird der Wirkstoff jetzt gegen das Multiple Myelom eingesetzt. Mich würde mal eine Statistik interessieren, wie viel Prozent der Patienten vom Contergan profitieren.
Ich habe weder Lenalidomid noch Pomalidomid vertragen. Da bin ich nicht die einzige.
Alles Gute für Dich
Gerda

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Antwort auf Erhaltungstherapie mit Lenalidomid
16 Mär 2024 06:54
  • Callosum62
  • 95 Beiträge seit
    18. Sep 2023
Hallo, Gerda,
Du fragst nach Statistiken - ich denke, Du meinst Studien - über die Wirkungsweise der Erhaltungstherapie mit Lenalidomid nach der Autologen Stammzelltransplantation. Bitte sehr.
1. Lenalidomide Maintenance After Autologous Stem-Cell Transplantation in Newly Diagnosed Multiple Myeloma: A Meta-Analysis. Journal of Clinical Oncology, 35, 2017.
Ergebnis einer Meta-Analyse mit insgesamt 1208 Patienten: Das mediane PFS, also progressionsfreie Überleben, betrug im Lenalidomid-Arm 52,8 Monate und im Kontrollarm 23,5 Monate. Man könnte auch sagen: Mit Lenalidomid mehr als doppelt so lang wie ohne Lenalidomid. Und: Die Lenalidomid-Erhaltungstherapie reduzierte das Risiko für Progression oder Tod im Vergleich zur Kontrolle um 52 Prozent.
2. Defining the Optimal Duration of Lenalidomide Maintenance after Autologous Stem Cell Transplant - Data from the Myeloma XI Trial. Quelle: Blood (2022) 140 (Supplement 1): 1371–1372. doi.org/10.1182/blood-2022-165376
Ergebnis einer Studie mit insgesamt 1548 Patienten: In dieser Analyse gibt es eindeutige Hinweise darauf, dass die Fortführung der Lenalidomid-Erhaltungstherapie über 3 Jahre hinaus mit einem verbesserten PFS verbunden ist, was die jüngsten Ergebnisse der DETERMINATION- und STAMINA-Studien unterstützt. Es scheint jedoch eine Zeit nach der ASCT zu geben, in der die fortgesetzte Erhaltung möglicherweise keinen anhaltenden Nutzen mehr gegenüber der Beobachtung hat. Die aktuelle Analyse legt nahe, dass die Auswirkungen zwischen 4 und 5 Jahren bei allen Patienten nachließen, früher in der Untergruppe der Patienten mit MRD- nach ASCT. Das heißt also: Wer direkt nach der Autologen Stammzelltransplantation kein tiefes Ansprechen oder eine MRD-Negativität erreicht (MRD=Minimum Residual Disease oder auch minimale Resterkrankung), der profitiert am längsten von Lenalidomid.

So funktioniert eben Wissenschaft: man orientiert sich nicht an Einzelfällen, die eben oft Ausnahmen sind, sondern an großen Gruppen. Das sind jetzt - in beiden Studien - über 2700 Patienten, wo die Aussage ganz eindeutig ist: Lenalidomid funktioniert und verlängert das progressionsfreie Überleben. So viele MM-Patienten, die keine Erhaltungstherapie "gebraucht" haben, kannst Du gar nicht kennen. Wenn man Dir das nach der Stammzelltransplantation nicht angeboten hat, kann ich nur sagen: Das liegt möglicherweise daran, dass das 2008 noch nicht der Standard war. Lenalidomid war zudem damals richtig teuer, eine Packung mit 21 Tabletten kostete mal über 7000 Euro. Mittlerweile ist die Erhaltungstherapie aber Bestandteil der S-3-Leitlinie zur Behandlung des MM. Nur, weil man Dir das nicht angeboten hat oder nicht anbieten konnte, weil man es noch nicht wusste, heißt das nicht, dass das jetzt nicht sinnvoll ist. Außerdem machen auch Ärzte Fehler. Bei mir hatte man 2019 in der Uniklinik vergessen, mich darauf hinzuweisen, dass nach einer Stammzelltransplantation ein Grundimmunisierung sinnvoll ist. Das habe ich erst in meiner Selbsthilfegruppe erfahren. Und dann in zwei Jahren durchgeführt. Es lohnt sich also, sich schlau zu machen über die Erkrankung.

Nun zum von mir geschätzten und rührigen Herrn Eisenbeisz von Myelom.Online. Mit dem hat unsere SHG eine gute Vernetzung. Herr Eisenbeisz ist nun auch schon 10-11 Jahre dabei, hatte zunächst eine Stammzelltransplantation, die 4 Jahre gehalten hat, und dann eine, die 2 Jahre hielt. Danach dann verschiedene Immuntherapien mit monoklonalen Antikörpern. Im Februar 2023 hat er eine CAR-T-Zelltherapie bekommen, die gut gewirkt hat, seitdem ist er therapiefrei. Ich denke, Du hast da was missverstanden. Nach meiner Kenntnis hat er nach der ersten Stammzelltransplantation sehr wohl die Erhaltungstherapie mit Lenalidomid gemacht. Wenn es dann unter L ein Rezidiv gibt, wirkt das L natürlich nicht mehr, man nennt das auch Lenalidomid-refraktär. Daher war nach der zweiten Stammzelltransplantation keine L-Gabe mehr sinnvoll. Nach einer CAR-T-Zelltherapie ist beim jetzigen Stand der Wissenschaft keine Erhaltungstherapie vorgesehen. Das ist das schöne an der CAR-T-Zelltherapie: Wenn sie funktioniert, ist man behandlungsfrei.

Und nun zum Contergan: Ja, das war schlimm, aber wir reden hier über ein Ereignis aus den 1960er Jahren. Und Contergan war der Medikamentenname, der Wirkstoff heißt Thalidomid. Das war, wie Du richtig schreibst, damals nicht gut genug untersucht worden vor der Zulassung als Beruhigungsmittel, ja, auch, um Geld zu verdienen. Aber nochmal: Seitdem haben sich die Zulassungsbedingungen für Medikamente in Deutschland sehr verbessert. Ich kenne auch keinen gleichwertigen Medikamenten-Skandal aus den letzten 60 Jahren. Das kann und will sich die Pharma-Industrie nämlich nicht leisten, und zwar aus rein wirtschaftlichen Erwägungen, denn so etwas kostet richtig viel Geld. Jetzt immer wieder einen Skandal der 60er-Jahre durchs Dorf zu treiben und damit die Pharma-Industrie grundsätzlich zu diskreditieren, bringt niemandem etwas. Momentan haben wir nämlich in Deutschland eher das Problem, an Standardmedikamente wie z.B. Antibiotika oder Schmerzmittel für Kinder heranzukommen, weil die schon lange nicht mehr in Europa produziert werden und die Hersteller in Indien oder China diese Medis lieber an Länder verkaufen, die bereit sind, dafür mehr zu bezahlen als wir. Das einzige Werk in Europa, dass noch Penicillin produziert, ist in Österreich und wird vom Staat mir vielen Millionen Euros im Jahr gesponsert, Stichwort Medikamentenversorgungssicherheit. Die neuen bispezifischen Antikörper mögen in der Forschung entwickelt worden sein, aber glaubst Du wirklich, Uni-Kliniken könnten genug davon herstellen? Ohne eine funktionierende Pharma-Industrie sehen wir MM-Patienten und auch Du sehr alt aus.
Natürlich gibt es immer wieder MM-Kollegen, die die Imide gar nicht vertragen. Nebenwirkungsfrei sind die natürlich nicht, da kann jeder, der L oder P nimmt, ein Lied von singen, auch ich. Wenn es so gar nicht geht, dann müssen Alternativen her oder man muss es eben ohne Erhaltungstherapie riskieren und immer wieder sehr genau den Status des MM kontrollieren lassen. Aber den meisten MM-Patienten helfen L und P eben sehr, eine lange Zeit krankheitsfrei bleiben zu dürfen. Und das ist keine Meinung, sondern ein Fakt.

Auch für Dich alles Gute...

Folge Deinem Herzen, aber vergiss dabei nicht, Dein Hirn mitzunehmen.
(Alfred Adler)

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Antwort auf Erhaltungstherapie mit Lenalidomid
16 Mär 2024 11:57
  • Maggie
  • Maggies Avatar
  • 320 Beiträge seit
    01. Apr 2016
Hallo Callosum,
zum Thema Medikamentenskandale möchte ich nur kurz das Stichwort Opioidkrise anführen, Hunderttausende von Toten in den USA und unbestritten ein schmutziges Kapitel der Pharmaindustrie.
Viele liebe Grüße und allen ein schönes Wochenende Maggie

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Antwort auf Erhaltungstherapie mit Lenalidomid
16 Mär 2024 15:38
  • Doris2460
  • 313 Beiträge seit
    13. Aug 2022
Hallo Maggie,

sorry, aber dass ist doch Äpfel mit Birnen vergleichen und größten Teils dem dortigen Gesundheitswesen zu verdanken, in den lieber Schmerzmittel genommen als vernünftig behandelt wird. Aber Politik gehört hier nicht hin.

Doris
Das Leben geht weiter, selbst wenn es humpelt

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Antwort auf Erhaltungstherapie mit Lenalidomid
16 Mär 2024 16:39
  • Callosum62
  • 95 Beiträge seit
    18. Sep 2023
Hallo, Maggie,

Du meinst mit dem Opiod-Missbrauch in den USA wahrscheinlich das Medikament Oxycodon. Das wird da drüben auch hillbilly-heroin genannt, also auf deutsch ungefähr "Hintlerwäldler-Heroin". Wurde eben zuerst gerne von ungebildeten Landbewohnern missbraucht - sie wussten es halt nicht besser, und keiner hat es ihnen erklärt, oder es war ihnen egal.
Bei bestimmungsgemäßem Gebrauch ist Oxycodon für die kurzzeitige Behandlung von starken Schmerzen aber ein hilfreiches und auch sinnvolles Medikament. Es darf nur wenige Wochen sozusagen zur Überbrückung eingenommen werden, sonst tritt ein Gewöhnungseffekt mit körperlichen Entzugssymptomen auf, daraufhin erhöhen die Patienten die Dosis, das führt zu Atemlähmungen und noch vielen anderen Nebenwirkungen, und wenn sie kein Oxy mehr verschrieben bekommen, besorgen sie sich Heroin. Und ja, die Pharma-Industrie dort drüben sind echte Beutegeier, die werden aber auch kaum kontrolliert. Politik gehört vielleicht nicht hier her, aber Gesundheit ist da drüben eben viel mehr als bei uns ein Geschäftsmodell, und sonst nichts. Deswegen strecken manche US-Bürger ihr Insulin, weil das so teuer ist. Eine Tablette Revlimid hat in den USA mal über 700 US-Dollar gekostet, und das ist in wenigen Jahren von 215 Dollar auf diesen Betrag gestiegen. Ohne etwas an der Rezeptur zu verändern. Damit die Manager sich die Taschen vollmachen konnten. Da gibt es eine demokratische Kongressabgeordnete, Katie-Porter, die immer mit ihrem White-Board die Pharma-Arschlöcher grillt. Schau mal hier über Revlimid:

www.youtube.com/watch?v=qYvW4pm0_fI&t=70s

Es ist richtig, das ist ganz furchtbar mit dem Opiod-Missbrauch. Aber das Problem liegt, wie Doris richtig schreibt, nicht im Medikament Oxycodon selbst begründet. Das ist eigentlich nicht schädlich, wenn man es richtig einsetzt (anders als das Contergan damals). Die USA haben das teuerste und gleichzeitig ineffektivste Gesundheitsversorgungssystem der Welt. Und viele Amerikaner haben keine ausreichende Krankenversicherung. Also wird weder nach der Ursache für die Schmerzen gesucht noch richtig behandelt, denn das können sich viele Amis finanziell nicht leisten. Und Ärzte verschreiben in den USA nicht selten ungeprüft Oxy zu lange und in zu hohen Dosen. Und es gibt einen riesigen Schwarzmarkt für das Zeug. Das Problem ist also systemimmanent für die USA, und da muss man eben auch das System ändern und nicht die Medis. Das aktuelle Hauptproblem in den USA ist übrigens nicht mehr nur Oxycodon, sondern Fentanyl. Billig, leicht herzustellen, knallt voll rein, macht superschnell süchtig, und geringe Dosen führen schon zum Tod. Die Gundsubstanen kommen aus China, und das wird dann gerne in Mexiko in irgendwelchen Küchen zusammengebraut, das Zeug. In einigen Städten laufen die Sozialarbeiter nur noch mit Naloxon-Einmalspritzen herum, um die Atemgelähmten zu retten.
Auch in Deutschland kann man natürlich über das Ärztehopping Opiode missbrauchen, aber die Kontrollen sind hier viel schärfer. Im Praxisverwaltungssystem leuchtet es da in allen Warn-Farben auf, wenn jemand zu viel Opioide verschrieben bekommen hat. Aber richtig Schlaue finden immer eine Möglichkeit, das System zu umgehen, um an ihren Stoff heranzukommen. Nur ist dabei nicht das Medikament schuld.
Also gut, noch einmal zum Contergan. Vor Contergan gab es das dreiphasige Zulassungssystem für Medis in Deutschland noch nicht. Da hat wirklich eine Phase-1-Studie zur Zulassung ausgereicht, das müssen Goldgräberzeiten gewesen sein in der Pharmaindustrie. Phase 1 heißt: Ich habe da was beobachtet, das prüfe ich mal. Und das musste noch nicht mal am Menschen sein. Beim Contergan waren es Mäuse, die sich in einem Rüttelkäfig mit Contergan beruhigen ließen. Und Zack, war ein neues Medikament für den Menschen zugelassen. Mittlerweile folgt auf Phase 1 die Phase 2-Studie, d.h. da geht es um die kontrollierte Dosierungs-Wirkung und Nebenwirkungen beim Menschen. Das dauert. Und erst danach kommt eine Phase-3-Studie, also eine randomisierte Kontrollstudie, die in einem Arm ein Placebo bekommt und in dem anderen Arm das Medikament. Wenn das dann besser wirkt als der Placebo, wird danach noch geprüft: Ist das neue Zeug besser, als das, was schon auf dem Markt ist? Und billiger?
In den USA darfst Du halt nur krank werden, wenn Du richtig viel Kohle hast oder einen Arbeitgeber, der bereit ist, Dir eine gute Krankenversicherung zu bezahlen. Da bin ich schon froh, dass das hier in Deutschland anders ist...

Folge Deinem Herzen, aber vergiss dabei nicht, Dein Hirn mitzunehmen.
(Alfred Adler)

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Antwort auf Erhaltungstherapie mit Lenalidomid
16 Mär 2024 21:00
  • Peppy
  • 9 Beiträge seit
    29. Apr 2022
Hallo zusammen,
mich treibt eine etwas andere Problematik zum Thema Erhaltungstherapie mit Lenalidomid (5 mg) um. Bisher bekomme ich immer nur eine Packung Lena pro T-Rezept verschrieben. Ist für mich aber problematisch, weil ich deshalb alle 3 Wochen in die nächst größere Stadt zum Hämatologen fahren muss, um wieder ein neues Rezept zu besorgen. Könnte der Arzt nicht auch mehrere Packungen auf ein Rezept schreiben oder brauche ich dann z.B. 2 Rezepte für jeweils eine Packung?
Dreierpackungen sind zuzeit nicht lieferbar.
L.G. Peppy

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