Arbeitsgemeinschaft Multiples Myelom

Arbeitsgemeinschaft Multiples Myelom (Plasmozytom, Morbus Kahler)
Online-Netzwerk für Patienten/-innen und Angehörige

Lungenembolie während Standardtherapie?

Betreff: Lungenembolie während Standardtherapie?
25 Jun 2023 12:34
  • KarenLe
  • 4 Beiträge seit
    25. Jun 2023
Hey,

ich bin nun seit knapp 1,5 Monaten stiller Mitleser und muss mich heute leider aus einem traurigen Anlass bei euch melden. Bei meinem Papa wurde vor etwas über 1 Monat ein multiples Myelom diagnostiziert. Er ist gerade erst 66 Jahre alt geworden, das durfte er noch erleben. Er war zeitlebens fit, seit 1,5 Jahren baute er jedoch merklich ab - er lief wie ein 90-Jähriger, musste sich ständig hinsetzen und eine Pause machen, bewegte sich ganz langsam und bedächtig, konnte meinen Sohn (2,5 Jahre) lediglich ein paar Sekunden auf dem Arm halten, da ihn dann schon die Kräfte verließen. Ich schickte ihn vor einem Jahr zum Neurologen, der aber auch im Dunkeln tappte. Eine MRT Aufnahme des Kopfes zeigte Durchblutungsstörungen, ein Grund wurde aber nie gefunden. Sein Herz arbeitet wie das eines 30-Jährigen. Man konnte ihm fast monatlich beim Verfall zuschauen. Er ist auch mehrmals gestürzt, hatte schlimme Gelenkschmerzen. Zudem musste er ständig auf Toilette. Ich tippte auf Parkinson oder vaskuläre Demenz (er erlitt vor 1,5 Jahren auch einen leichten Schlaganfall mit Sprach-und Schluckstörungen, wovon er sich allerdings wieder gut erholt hat).

Anfang Mai diesen Jahres dann der Anruf seiner Lebensgefährtin - sie sind in der Notaufnahme, da sein rechtes Bein taub ist. Schlaganfall? Sofortige Überweisung in die Uniklinik und am Ende eine Entwarnung - kein Schlaganfall, aber mehrere Wirbel im Brustwirbelbereich sind angebrochen. Wie zur Hölle bricht man sich aber die Wirbel, wenn kein Unfall oder Ähnliches passiert ist? 4 Tage später wurde er operiert, seine Wirbelsäule stabilisiert (mit sehr langen Nägeln). Dabei war nicht nur der Brustwirbel-sondern vor Allem auch der Halswirbelbereich befallen. Sein Halswirbel war fast völlig "zerfressen" - das erklärte nun auch die ganzen Symptome. Eine Woche später das Ergebnis der histologischen Untersuchung: Blutkrebs, ein multiples Myelom. Der Oberarzt, eine Koryphäe auf seinem Gebiet, gab ihm 6-8 Jahre, eventuell sogar länger. Großes Aufatmen. Ich war erleichtert, nun endlich zu wissen, was ursächlich für sein Symptome war und auch, zu wissen, dass ihm geholfen werden kann. Problematisch war nur, dass er über 3 Wochen bettlägerig war. Er konnte sein Bein nach der OP zwar wieder spüren, aber er war so geschwächt (und die Wirbelsäule auch noch zu instabil), sodass er nicht aufstehen konnte. Er bekam täglich 30 Minuten Physiotherapie (Radfahren im Bett, am Rollator laufen), aber er war zu schwach. Die Prognose, dass er wieder laufen können wird, stand aber gut.

Ab dem 31.05. erhielt er seine erste Chemogabe (Standardtherapie, eine Stammzelltherapie war aufgrund seines Allgemeinzustandes mit dem Bein erstmal nicht vorgesehen. Zudem wurde er in die neuste Studie für die CAR-T-Zelltherapie aufgenommen), am 01.06. klagte er morgens bei der Visite über Luftnot, sein Puls war ganz niedrig, sein Blutdruck dafür exorbitant hoch. Er bekam Sauerstoff und doch ging alles sehr schnell. 5 Minuten später ist sein Kreislauf zusammengebrochen, er wurde 2 Stunden reanimiert, erfolglos. Laut den Ärzten ein ungünstiges Zusammenspiel verschiedener Faktoren: Die Bettlägerigkeit (die natürlich die Gefahr einer Thrombose und somit Lungenembolie erhöht), die Chemo, die Strapazen der sehr langen OP (6-7 Stunden). Ich durfte ihn einen Tag später in der Pathologie sehen - der Anblick war entsetzlich, er hatte schon Totenflecken, der Tubus steckte noch im Hals.

Er wurde nun obduziert, wir haben uns am offenen Sarg von ihm verabschieden können und morgen wird er eingeäschert. Einen Tag nach seinem Tod haben wir uns mit dem Oberarzt, der ihn behandelt hat, unterhalten. Er meinte nochmals, dass sie viel mit ihm "vor hatten", er gute Chancen und eine gute Prognose gehabt hätte. Es war zwar schon Stadium 3, aber ohne Organbefall, wenige bösartig veränderte Zellen nach der KM-Punktion vorgefunden und - wie man hier auch immer liest: Es tut sich gerade enorm viel. Der Oberarzt ist kein Unbekannter, Dr. Merz - er lag also in der Uniklinik Leipzig. Dr. Merz kommt von der Uniklinik Heidelberg und ist, wie es scheint, eine Koryphäe auf dem Gebiet. Wenn ich es recht gelesen habe, erfolgte der letzte Stammtisch auch mit ihm. Ein angenehmer und sehr kompetenter Mensch. Wir haben uns gut aufgehoben gefühlt. Diese Komplikation hat er auch nur selbst bis noch gar nicht erlebt, gab er zu.

Papa hat doppelt Blutverdünner und täglich eine Thrombosespritze erhalten und dennoch wahrscheinlich eine Thrombose entwickelt. Meine Frage an euch ist, ob es bei dieser Krebsart ein erhöhtes Thromboserisiko gibt?! Ich meine, es einem Paper zur Auswertung einer Studie bezüglich des Myeloms gelesen zu haben. Mir ist klar, dass die Bettlägerigkeit während einer Krebstherapie ungünstig ist - aber es gibt so viele bettlägerige Menschen, und er verstirbt sofort?! Dr. Merz schließ aus, dass es aufgrund der Chemotherapie passiert ist, da er sie erst einmal erhalten hat. Den endgültigen Bericht zur Ursache seines Todes erhalte ich noch von der Staatsanwaltschaft.

Ich bin aktuell noch ganz durcheinander und kann meine Gedanken nur schwer sortieren. Ich hoffe, dass mir hier vielleicht einige ihre Erfahrungen zu der Thematik schildern können.
Ich möchte noch mal betonen, dass auch uns immer wieder vermittelt wurde, dass der Krebs zwar tückisch (da oft erst spät erkannt aufgrund der unspezifischen Symptome), aber sehr gut therapier-wenn auch nicht heilbar ist.

Liebe Grüße,

Karen

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Antwort auf Lungenembolie während Standardtherapie?
25 Jun 2023 15:35
  • klein Grisu
  • klein Grisus Avatar Moderator
  • 426 Beiträge seit
    23. Dez 2016
Mein herzlichstes Beileid

Sonnige Grüße

Markus

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Antwort auf Lungenembolie während Standardtherapie?
26 Jun 2023 00:46
  • AP
  • 14 Beiträge seit
    18. Sep 2019
Als allererstes mein herzliches Beieid zu deinem Verlust. Wie schrecklich, dass es so schnell ging...
Fühl dich umarmt
Christine

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Antwort auf Lungenembolie während Standardtherapie?
26 Jun 2023 10:28
  • Marie2022
  • 14 Beiträge seit
    12. Aug 2022
Hallo Karen, zunächst mein Beileid. Das tut mir sehr leid, was hier mit deinem Vater passiert ist. Das Thrombose Risiko ist für MM Patienten erhöht, mein Mann hatte vor der Diagnose eine Thrombose, und ein Jahr später eine beidseitige Lungenembolie. Damals hätte man die Erkrankung im Blut schon sehen können, aber wie so oft, und wie bereits von dir erwähnt, dauert es meist ziemlich lange bevor das MM diagnostiziert wird. Ich kann absolut verstehen dass du nach Antworten suchst, man will das ganze verstehen. Leider gibt es manchmal Fälle, wie hier wie bei deinem Vater die absolut tragisch verlaufen. Hatte ich das richtig verstanden dass dein Vater mit Luftnot auf die Therapie reagiert hat? Bei welchem Medikament? Bei der ersten Bortezomib Dosis?

Ich grüße dich herzlich und wünsche dir viel Kraft!

Mariella

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Antwort auf Lungenembolie während Standardtherapie?
26 Jun 2023 15:05
  • Mapoli
  • Mapolis Avatar Moderator
  • 1431 Beiträge seit
    17. Jun 2011
Liebe Karen,
herzliches Beileid zum Tod Deines Vaters. Es ist gut zu verstehen, dass Du jetzt in einer Ausnahmesituation bist und nach Antworten suchst. Viel zu jung ist er gestorben und dann gerade erst das Enkelchen. Das tut mir sehr leid.

Wie Du schreibst, hatte er viele Vorerkrankung, bereits einen Schlaganfall und Durchblutungsstörungen. Wir hier können das alles nicht beurteilen, sind alle nur Patienten mit der Erkrankung Multiples Myelom und Angehörige. MM ist eine Erkrankung, die inzwischen in den meisten Fällen sehr gut behandelbar ist, aber eben nicht immer. Dies hängt von so vielen verschiedenen Faktoren ab. Jedes Myelom ist anders, vielschichtig und manchmal tückisch, jeder Mensch ist anders. Jede Behandlung ist ein Risiko, so wie auch jede OP bei anderen Erkrankungen ein Risiko ist, sei sie noch so klein und unbedeutend. Thrombosen und auch Lungenembolien kommen beim Multiplen Myelom vor, wie auch bei anderen Krebserkrankungen und sind leider auch manchmal Nebenwirkungen von der Behandlung. Dagegen hat Dein Vater ja, wie Du schreibst auch vorsorglich etwas gut wirksames bekommen. Was wäre die Wahl gewesen? Keine Behandlung? Wie Du schreibst, ist das Myelom ja schnell und unbemerkt gekommen.

Ich kann gut nachvollziehen, dass Du überlegst, wo hättet Ihr ihm einen anderen Rat geben sollen, was hätte man besser machen können. Was hättet Ihr noch tun können, um das zu verhindern. Das habe ich nach dem Tod eines sehr nahen Angehörigen auch so erlebt. Aber das hilft Euch jetzt nicht weiter und macht Deinen Vater auch nicht wieder lebendig. Manches ist einfach so, wie es ist. So weh das tut.
Ich verstehe Dich gut und genau darum gebe ich Dir den Rat, suche Dir Hilfe, vielleicht eine Trauerbegleitung oder sogar einen Psychologen für einige wenige Gespräche, damit Du zur Ruhe kommst. Dein Vater würde jetzt wollen, dass Du Dich um Deinen Sohn kümmerst.

Dir und Deiner Familie alles Gute, mögen liebe Mensch an Deiner Seite sein.

LG
Ma
Letzte Änderung: 26 Jun 2023 15:09 von Mapoli.

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Antwort auf Lungenembolie während Standardtherapie?
12 Jul 2023 14:07
  • KarenLe
  • 4 Beiträge seit
    25. Jun 2023
Ich antworte etwas verspätete, es tut mir leid.
Ich bedanke mich bei euren Antworten.

Liebe Mapoli, ich habe mich scheinbar etwas falsch ausgedrückt. Er hatte nicht viele Vorerkrankungen - ganz im Gegenteil, sämtliche Untersuchungen (um zu schauen, ob er fit für die Chemo ist) ergaben einwandfreie und altersuntypische Ergebnisse. Die Durchblutungsstörungen rührten wohl vom Myelom her. Und durch jene eingeschränkte Blutzirkulation dann auch der Schlaganfall.

Wir haben nun den Bericht der Rechtsmedizin: Im operierten Bein wurde tatsächlich ein großes Gerinnsel gefunden, seine Lungenschlagadern waren beidseitig völlig blockiert mit Gerinnseln. Deshalb ging auch alles so unerwartet schnell. Der Thrombus aus dem Bein löste sich, wurde hochgeschwemmt und blockierte dann die Lungen, was schließlich zum Herzversagen führte. Interessant an dem Bericht war, dass auch aufgeführt wurde, dass er kurz vorher seine erste Chemogabe erhalten hat (Lenalidomid) und diese maßgeblich auch mit zum Tod beigetragen hat. Darüber hat man uns vorher leider nicht informiert, aber bei dieser Chemotherapie entwickeln sehr viele Patienten eine Thrombose, die schließlich zur Lungenembolie führt. Das in Kombination mit der Bettlägerigkeit war dann sein Todesurteil. Es war einfach zu viel. Zumal die Blutgerinnung beim Multiplen Myelom auch anders verläuft als bei gesunden Patienten.

Aber Mapoli hat natürlich dennoch Recht - keine Therapie wäre auch keine Option gewesen. Es sollte so sein, immerhin hatte er einen sehr schnellen und schmerzlosen Tod. Die Bilder verfolgen mich dennoch und halten mich so manche Nacht wach.

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