Arbeitsgemeinschaft Multiples Myelom

Arbeitsgemeinschaft Multiples Myelom (Plasmozytom, Morbus Kahler)
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BR Bericht über einen Myelompatienten: "Plötzlich bin ich selbst Patient"

Antwort auf BR Bericht über einen Myelompatienten: "Plötzlich bin ich selbst Patient&qu
05 Nov 2023 08:50
  • Callosum62
  • 95 Beiträge seit
    18. Sep 2023
Hallo,
eins vorweg - mir hat der Film sehr gefallen. Aber ich stimme Karsten zu: inhaltlich enthält die Geschichte des Protagonisten kaum etwas, was für mich zu Beginn meiner Erkrankung hilfreich gewesen wäre. Als jemand, der im Verlauf von mittlerweile über 6 Jahren lernen musste, mit dem MM zu leben, konnte ich mich jedoch in vielen Bereichen der geschilderten Krankheitsverarbeitung und auch der Biographie von Dr. Peter Bein gut wiederfinden. Denn auch er ist bereits langjährig krank, und es blieb ihm nichts anderes übrig, irgendwie damit umzugehen. Das hat bei mir ein Nachdenken und gewissermaßen eine kleine Nachschau meiner eigenen Krankengeschichte ausgelöst. Die Gefühle der Schuld, der Verlust der Unbefangenheit, die erlebte Hilflosigkeit, die immer wieder auch heute noch auftretenden Ängste, der Versuch, die Kontrolle zurückzugewinnen und die Suche nach einer neuen Sinnfindung jenseits der Berufstätigkeit - das kenne ich auch alles. Mir gefällt, dass der Film im Hinblick auf die Erkrankung MM selbst eher im Unklaren bleibt, hier lernt man eigentlich nur: es ist eine unheilbare Erkrankung. Und auch über die mittlerweile sehr guten Behandlungsmöglichkeiten erfährt man nicht viel: es gibt die Chemotherapie und auch die von Dr. Bein offensichtlich traumatisch erlebte Stammzelltransplantation, und wenn das MM zurückkehrt, gibt es weitere Optionen. Da war für mich trotz der mittlerweile vielen gewonnenen Jahre insgesamt nicht viel Optimismus zu spüren, sondern eher Wehmut über das Verlorene und eine beständige Angst vor dem, was noch kommen kann. Ich denke aber, die hauptsächliche Intention des Filmes war es nicht, uns MMlern Hoffnung und Mut zu machen, sondern aufzuzeigen, inwieweit kritische Lebensereignisse einen radikalen Perspektivwechsel erfordern: hier eben vom nur scheinbar allwissenden Arzt, der die Krankheit der Anderen (und damit vielleicht auch eigene Verletzlichkeiten) unter Kontrolle zu haben hat (und das auch will) bis zum tief in seinem Selbstwert erschütterten Patienten, dem all sein medizinisches Wissen und seine Lebens- und Berufserfahrung angesichts der Konfrontation mit seiner eigenen Sterblichkeit nicht mehr viel zu nützen scheint. Und der alles, aber auch wirklich alles versucht, um wieder in ein erträgliches Gleichgewicht zu kommen, sei es das durch den tröstlichen Austausch im Gespräch mit Freunden und der Familie, das Singen im Kirchenchor, die Beobachtung des Wachstums seiner Bäume (die ihn wohl überleben werden) und die Beobachtung der gesunden Vitalität seiner Bienen. Es ist für mich nicht verwunderlich, dass er als Intellektueller (auch zur Krankheitsverarbeitung) ein Buch über seine Erkrankung schreibt, das hilft ihm, seine Gedanken zu ordnen, und außerdem möchte er vielleicht, dass etwas von ihm bleibt, wenn er mal nicht mehr ist. Geht das nicht vielen von uns ähnlich?
Sein Fazit verwundert mich nicht: im "Medizinbetrieb" kommen das Zuhören und das Menschliche zu kurz. Ich denke, dass viele Ärzte das mittlerweile ähnlich sehen, sich aber mit der Realität des klinischen Alltags arrangieren müssen (ich sage nur: Bürokratie und Dokumentation) und ihr Unbehagen darüber immer weniger wahrnehmen, damit sie weiter funktionieren können. Auch Dr. Bein hat sozusagen eine eigene "Erkrankung gebraucht", um das mal sehr deutlich für sich zu formulieren. Insgesamt hätte ich mir von dem Beitrag noch mehr das Aufzeigen von Lösungsmöglichkeiten des Dilemma Medizinbetrieb-Menschlichkeit gewünscht, denn Ansätze dafür sind ja in meiner Erlebniswelt zumindest als zartes Pflänzchen vorhanden. Selbst in vielen Studien zum MM werden immer mehr die Themen psychische Situation oder Lebensqualität des Patienten mit einbezogen. Und gerade bei vielen jüngeren Ärzte (aber nicht nur bei denen) bemerke ich ein besseres Gesprächsverhalten im Umgang mit mir als Patient. Vielleicht könnte es deswegen dem ein oder anderen Arzt nicht schaden, gerade diesen Film einmal anzusehen...

Folge Deinem Herzen, aber vergiss dabei nicht, Dein Hirn mitzunehmen.
(Alfred Adler)

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Antwort auf BR Bericht über einen Myelompatienten: "Plötzlich bin ich selbst Patient&qu
13 Nov 2023 20:28
  • ChrisMUC
  • ChrisMUCs Avatar
  • 11 Beiträge seit
    16. Mär 2023
Danke Karsten, ich werde Deinem Rat gerne folgen.
Im Augenblick wäre für mich und vielleicht andere ein Film der einen runterzieht pures Gift. Vielen Dank für den „Disclaimer”. Was nicht heißen soll, dass der Film vielleicht für andere gut sein könnte. Ich spare mir das erstmal.

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Antwort auf BR Bericht über einen Myelompatienten: "Plötzlich bin ich selbst Patient&qu
13 Nov 2023 21:24
  • Diddlmaus
  • Diddlmauss Avatar
  • 1274 Beiträge seit
    21. Okt 2012
Ich habe mir den Film angesehen und fand ihn gänzlich unspektakulär.

Ich habe mich sogar gewundert, dass man einen Film produziert mit derart wenig "Fleisch am Knochen".

Ich lebe allerdings seit 12 Jahren mit meinem Myelom, vielleicht ist dies der Grund.

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