Arbeitsgemeinschaft Multiples Myelom

Arbeitsgemeinschaft Multiples Myelom (Plasmozytom, Morbus Kahler)
Online-Netzwerk für Patienten/-innen und Angehörige

Mal wieder eine Frage.....

Betreff: Mal wieder eine Frage.....
15 Apr 2013 13:59
  • gast
Hallo Ihr,
ich bin seit einer Weile stiller Mitleser. Ich bin selber nicht betroffen, aber habe mit meiner besten Freundin gerade den Kampf gegen die Krankheit aufnehmen müssen.
Insgesamt bin ich positiv Eingestellt und bin sicher, dass wir noch viel Zeit für sie nach allen Behandlungen rausholen können.

Mich beschäftigt aber eine Frage, bei der Ihr mir vielleicht weiterhelfen könnt:

Warum ist diese Krankheit überhaupt unheilbar?

LG an alle und schon mal "DANKE" :-)

ZAZA

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Antwort auf Mal wieder eine Frage.....
15 Apr 2013 14:13
  • Steffen
Hey ZAZA,
noch unheilbar. Meine Onkologin sagt, wenn ich nach der allo 10 bis 15 Jahre nichts von meinem Myelom höre, isses so gut wie geheilt. Und wenn dann doch was wieder kommt kann man wieder mit Therapien was machen.
Es ist ja kein Tumor an einer Stelle den man wegschneiden kann. So stell ich es mir jedenfalls vor. Aber du bekommst hier sicher genauere Erklärungen. Wie alt ist Deine Freundin?
LG Steffen

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Antwort auf Mal wieder eine Frage.....
15 Apr 2013 22:50
  • abifiz
Hallo ZAZA.


Als ehemaliger Arzt kann ich ja anführen, daß es keinen eigentlichen Grund gibt, warum Krankheiten heilbar sein sollten. Einige sind es, andere nicht; von der Mehrheit der Möglichkeiten menschlicher Organismen her gesehen. Dann kommt die Kultur hinzu. Unsere lieben Vor-Vor-Vorfahren fangen vor vielen, vielen Hunderttausenden von Jahren Pflanzen zu finden an, aus denen in bestimmten Dosierungen, später Zusammensetzungen, noch später Zubereitungen Heilung teil-ausgeht. Das geht dann weiter und weiter und weiter bis... zur Pharmaindustrie der heutigen Zweibeiner, bis 1950 wahnhaft gelobt, ab dann wahnhaft verunglimpft, unter dem Strich immer wieder neue Möglichkeiten anbietend. Doch bringt diese krankheiten-abwehrende kulturelle Entwicklung auch neue Krankheiten mit sich: Umstellung der Ernährung und der Lebensweise, schwere Irrtümer (z.B. Trinkgefäße aus Blei oder Aberglauben oder Aderlaßbehandlung bei geschwächter Konstitution und und und...), zusätzliche psychische Belastungen und Ängste und Entmutigungen.

Und die Behandlungsfortschritte? (Nicht nur pharmakologischer Art, auch physikalischer u. mehr?) Auch sie bringen neue schwere zum Teil unerwartete Belastungen mit sich. Die haben dann auch schädliche oder sehr schädliche, allemal zumindest aber komplexe Folgen. Und Kranke, die mühsam geheilt wurden, können ja später (als angeschlagen Davongekommene) neuerkranken, was bei einer Leiche doch seltener der Fall gewesen wäre... Und bei einer durchschnittlicher Lebenserwartung von 34 Jahren wie in der letzten großen Eiszeit gab es 7% Übervierzigjährige. Und 1,2% insgesamt von Überfünfundfünfzigjährigen noch. Und entsprechend kaum eine Inzidenz von Alterskrankheiten...

Und warum gab es heilsame Pflanzen? Weil sie sich in einer Jahrmillionen langen Evolution Abwehrwaffen zulegten. Gegen Viren. Gegen Bakterien. Gegen Insekte. Gegen das Angeknabbert-Werden. Diese botanische "Pharmafabrik" bot uns Menschenvorfahren, Schimpansen und Menschen also Kampfstoffe gegen die Krankheit; stärkte uns; belebte uns; verriet und vergiftete uns mit schädlichen und schädlichsten Folgen. Auch hier überwogen unter dem Strich die dann optimierbaren Wirkungen.

Und was machten die Feinde? Die Viren und Bakterien und Pilze und Algen und Flechten entwickelten sich ihrerseits fort, entwickelten Resistenzen, lernten sogar manchmal paradoxerweise selber die Abwehrstoffe zu nutzen, wurden gefährlicher. Griffen auch die Tiere an, welche Abwehrmethoden ihrerseits entwickelten, welche die Zweibeiner später übernahmen, welche wir heute verfeinern und verfeinern und verfeinern.

Mit der Folge, daß unsere Angreifer sich spezialisieren, Resistenzen verfeinern, Tricks entwicklen, sich neues "ausdenken". Was sie angreifbar macht für neue Methoden, die sich aus ihrer Weiterentwicklung erst ergeben.

Die Krankheiten, die unsere Vorfahren dezimiert haben, haben uns evolutiv weitergebracht.

Und die Niederlagen der Krankheitserreger, ob groß oder mikromolekular, haben sie evolutiv weitergebracht.

Wie wanken gemeinsam aufm schmalen Grat zwischen Leben und Tod auf dem Pfeil der Vergänglichkeit.


Ich habe bis jetzt selbstverständlich vereinfacht und verdichtet, verdichtet und vereinfacht. Tue ich also weiter:

Nennen wir also einfach comic-haft die speziellen Verursacher beim uns besonders und gesondert interessierenden MM "böse unfaire grüne glitschige Onkos". Was tun die Scheißonkos? Studieren die Menschen, lernen an der Onko-Uni alles über unseren Stoffwechsel und beschließen nach einer Art nordkoreanischen deftigen Kriegsrates vor ca 9.000/8.500 Jahren auf spezifischen MM-Angriff zu blasen. Noch in den Knochen unserer Schicksalsgenossen aus mesopotamischen und nahöstlichen Gräbern finden wir ihre grausame Spuren, zum Teil 7.500 Jahre alt. (Die Krankheit hat man freilich gesondert erst 1842 in Schottland "entlarvt".)

Was die grünen glitschigen Onkos alles können! Sie greifen verschieden und an mehreren Stellen an, sind eigentlich selber verschieden ("multipel" ), sind gewitzt und kompetent.

Bei uns, auf unserer Seite (bei Menschen und allierten Bakterien, Viren, Phagoziten, verbündeten Kleinpilzen, studierten kriegsfreiwilligen Proteinen, Antikörpern in voller Mobilmachung und weiteren Milliarden von Teilnehmern bis hin zu winzigen tapferen Spezial-Chromosomen-Einheiten, allen in unseren Körpern) gab 's in der Folge auch aufgeregten Kriegsrat zu unserer Verteidigung.

Auf unserer Seite wurden Tricks erkoren, Fähigkeiten und Fertigkeiten, neue listigste Listen ersonnen.

Und die bösen grünen glitschigen Onkos entwickelten fieseste klügste Gegenmaßnahmen.

Da ich am comic-haften Semplifizieren bin, erwähne ich nur eine einzige Sache, ein einziges Beispiel: Wir haben eine unglaublich intelligente Wunderwaffe entwickelt: Die "Opsonierung" (so etwas wie eine "Feinwürzung" ). Wir können die bösen Partikelchen "feinwürzen", und schon sind die Glitschis gegrillt! Und die? Die tollwütigen MM-Glitschis haben an ihrer Uni eine Methode ausgetüftelt, mit der unsere Wunder-Opsonierung schachmatt gesetzt wird! (Weswegen so viele von uns "Emm-Elern" an Lungenentzündung eingehen...) Und so ging der Kampf unerbittlich weiter, und meistens ungünstig aus.

Bis eines Tages...

Bis eines Tages unsere tapferen Wissenschaftler immer mehr vom MM zu verstehen anfingen, immer bessere, immer schneller entwickelte gefährliche (leider auch für uns nicht gerade ungefährliche!) Anti-Glitschis-Waffen zu erschaffen angefangen haben, so daß langsam aber stets die Gewichte sich zu verlagern anfangen, und Heilungsmöglichkeit immer häufiger werden wird.


Wieso sind wir überhaupt Beute der fiesen MM-Onkos?

Unsere genetische Austattung ist sehr kompliziert, in einem unvorstellbaren Ausmaße kompliziert. Und individuell verschieden, für den einen oder anderen Lebensaspekt weniger oder besser ertüchtigtbar. Leicht schleichen sich Fehler ein. Einige können verhängnisvoll bei entsprechenden Chromosomen werden. Chromosomenbrüche und genetische Defekte können einfach so entstehen. Die entscheidenste und bedeutenste hinzukommende Außenwirkung mit wahrscheinlich besonderem Anklang beim MM ist die kosmische jonisierende Strahlung, vor der es keinerlei Schutz gibt. Andere jonisierende Strahlungen auf der Erde können allerdings den Effekt steigern, wenn auch nur in verhältnismäßig immensen Dosierungen. Und eine gewisse Menge sonstiger vielfältigster "Noxen" (schädigender Auslösermomente) können das ihrige auch mal dazu tun. Weder vor der kosmischen Strahlung, noch vor der großen Vielfalt der Noxen ist Schutz realisierbar.

Den Menschen fällt sehr schwehr, das nachzuvollziehen und zu glauben, und abifiz ist ja kein Mensch im eigentlichen Sinne.

So suchen sie Labsal, Entschuldung und Befreiung auch in magischen Zirkeln. Man kann es ihnen wahrlich nicht verdenken, und manchmal schadet es nicht.


Letztlich geht es um etwas, das man nur versteht, wenn man die Welt des Theaters zu verstehen lernt.

Die Vielfalt der Drehbücher, ihre nicht allzu seltene Grausamkeit. Den Umschlag der Dramatik mancher Biographie in die nackte Tragödie. Und das Obwalten der Menschlichkeit, Hoffnung, Güte und Liebe als viel stärkere Kräfte auf der Bühne als diejenigen der Grausamkeit.


abifiz

PS
Bitte um Verzeihung für die vielen Semplifizierungen, Verzerrungen und Verdrehungen... :wink:

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Antwort auf Mal wieder eine Frage.....
16 Apr 2013 08:08
  • Pirjoinkeri
  • Pirjoinkeris Avatar
  • 131 Beiträge seit
    09. Mai 2012
Hallo Abifiz,

Danke für dein Beitrag. Herrlich. Für mich das beste Antidepressiva aller Zeiten. Schön, dass es Hirn regnete als du geboren wurdest...:D

LG
Pirjo

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