Arbeitsgemeinschaft Multiples Myelom

Arbeitsgemeinschaft Multiples Myelom (Plasmozytom, Morbus Kahler)
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Gibt's schon klinische Alternativen zur Hochdosischemo?

Antwort auf Gibt's schon klinische Alternativen zur Hochdosischemo?
04 Jun 2018 17:35
  • Dorothee
Hallo Emi, hallo Jo,
ja klar Jo - natürlich ist es ein völlig irrer Gedanke, das eigene Immunsystem kaputt zu machen, das eigentlich den Tumor bekämpfen soll. Das Problem ist ja leider zweischichtig: a) wie bei jedem Tumor versagt das Immunsystem, weil die Tumorzellen sich eine "Tarnkappe" aufziehen und nicht erkannt werden. und b) Der Tumor ist Teil des Immunsystems. Deshalb - kurz gesagt - den Immunsystem-Tumor mit dem gesamten Immunsystem platt machen - und dann das Immunsystem wieder neu aufbauen.

Und natürlich find ich es auch viiiel besser, das Immunsystem so "sehend" zu machen, dass es die "Tarnkappe" durchschaut - oder alternativ die "Tarnkappe" von den Tumorzellen runter zu zerren. Da laufen eben einige Studien zu individueller, spezifischer Konditionierung des Immunsystems, die mich begeistern (und über die Du hier auch nachlesen kannst)

Was ich sagen wollte ist, dass Lenalidomid trotz der Bezeichnung "immunmodulatorische Substanz" auch noch paar Sachen macht, die nix mit dem Immunsystem zu tun haben und die man auch nicht haben will. Aber das weißt Du ja schon.
Und so lange das L bei Dir hilft - ohne großartige Nebenwirkungen - klaro - solange würde ich das auch machen.
Vielleicht meinst Du auch, dass die HD mit SZT vorwiegend empfohlen wird, weil entsprechende Geräte und Klinikausstattung einfach da sind - und ausgelastet, sprich bezahlt werden müssen. Könnte natürlich sein. Keine Ahnung :dry:

Ohhh - da fällt mir noch was ein: Könnte natürlich sein, dass man Lenalidomid auch deshalb nicht sofort einsetzt, weil es eventuell irgendwann "verbrannt" ist - d.h. die schlauen Tumorzellen (und die sind verdammt schlau) stellen sich drauf ein - es kommt zur Arzneimittel-Resistenz = L hilft nicht mehr. Das ist eine Frage, die Du vielleicht mit Deinem Arzt abklären könntest. Gibt´s Resistenz-Entwicklung??

Hallo Emi,
ich fasse mal kurz zusammen, wie das mit den Stammzellen läuft.
Stammzellen sind Zellen aus denen sich verschiedene andere Zelle bilden können. Also Ursprungszellen für viele verschiedene andere Zellen. Aus den Stammzellen entwickeln sich a) myeloische Vorläuferzellen - und daraus dann irgendwann alle Blutkörperchen. Und b) lymphatische Vorläuferzellen - und daraus dann Lymphozyten (Teil der weißen Blutkörperchen) Interessant beim MM sind die B-Lymphozyten. Aus denen entwickeln sich nämlich die Plasmazellen - die wiederum Antikörper - also die Immunglobuline bilden.

Monoklonale statt polyklonale Immunglobuline sind genau die Proteine, die beim Multiplen Myelom auftreten und Probleme machen.
Bisher hab ich immer gedacht, dass die Plasmazellen entarten und also tumorös sind und der Angriffspunkt von Lenalidomid.
Jo hat aber oben geschrieben, dass Lenlidomid tumoröse B-Lymphozyten angreift (er bezieht sich da auf die von ihm genannte Doktorarbeit aus Uniklinik Ulm)
Tumorös können also wohl die Plasmazellen als auch die B-Lymphozyten sein.

Ob die Lymphatischen Vorläuferzellen oder gar die Stammzellen schon tumorös also entartet sein können, das weiß ich nicht.

Deshalb zu Deiner Frage mit der Stammzellsammlung:
Wahrscheinlich geht man davon aus, dass die Stammzellen gesund sind. Diese gesunden Zellen werden abgesammelt und eingefroren. Dann wird mit der Hochdosis alles kaputt gemacht - Gesundes und Krankes - in der Hoffnung möglichst viel Krankes zu erwischen.
Dann werden die Stammzellen (gesund) wieder zurückgegeben, damit sich das eigene Immunsystem wieder gesund aufbauen kann. Die Idee ist: Krankes Immunsystem zerstören - Gesundes Immunsystem wieder aufbauen.
Leider werden offenbar entweder nicht alle Tumorzellen mit der HD zerstört oder bilden sich schnell wieder neu.
Daher das Zurückkommen der Krankheitssymptome nach Remission.

Interessant wär wirklich zu wissen, ob man schon erforscht hat welche genetische Veränderung in welchem Zelltyp (Stammzelle? Lymphatische Vorläuferzelle? B-Lymphozyt? Plasmazelle?) letztlich zur Produktion der falschen Immunglobuline in der Plasmazelle führt. Also: Wo liegt eigentlich der Anfang der genetischen Veränderung, die irgendwann zum Krankheitsbild führt ??

Hab ich noch nix drüber gefunden - ich lese nur ständig darüber, dass man erforscht, welche Mutationen zur Arzneimittelresistenz bei der Behandlung führen.

LG Dorothee

PS: "Reinigung" der Stammzellen bedeutet wohl, dass aus dem Blut, das zur Stammzellgewinnung entnommen wird - alles weggeschmissen wird, außer den Stammzellen.
Letzte Änderung: 04 Jun 2018 17:40 von Dorothee. Begründung: PS nachgetragen

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Antwort auf Gibt's schon klinische Alternativen zur Hochdosischemo?
04 Jun 2018 18:02
  • gex
  • gexs Avatar
  • 587 Beiträge seit
    15. Jun 2016
Hallo Jo,
Die HD ist ja nicht alleine, sondern gefolgt von der autologen SZT. Diese gibt dir dein Immunsystem zurück. Standard ist heute zudem, dass danach noch eine Erhaltungstherapie mit Lenalidomid folgt. Diese tut dann das, was du beschreibst. Sinn der HD ist also, zwischenzeitlich die Tumorlast so weit wie möglich zu senken.
Das ist nunmal statistisch gesehen der erfolgreichere Weg als Lenalidomid allein gegen eine schon hohe Tumorlast ankämpfen zu lassen.
Im Prinzip kann jeder Patient aber auch die HD SZT ablehnen und Therapien wählen, wie sie für ältere bzw nicht transplantationsgeeignete Patienten vorgesehen sind.
Alles Gute Gex

Diagnose Smoldering MM 01/14, IgG lambda, FISH t(11;14)
Erste Therapie ab 04/19: Isatuximab + VRd -> VGPR erreicht
ab 12/19 Isatuximab + Rd, keine weitere Verbesserung
09/20 HD/aSZT sehr gut vertragen und deutlich besseres Ansprechen, danach keine Erhaltungstherapie
Anfang 2023 Rezidiv mit Rippenbrüchen und Osteolyse Schlüsselbein
seit 06/23 Pomalidomid +Dex, wieder VGPR

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Antwort auf Gibt's schon klinische Alternativen zur Hochdosischemo?
04 Jun 2018 18:24
  • Dorothee
oooooh Gex,
kurz knapp prägnant klar klasse! (ich muss zum gleichen - wahrscheinlich viel weniger verständlichen - Ergebnis einen Roman verfassen ) :lol:
Daumen hoch!
Letzte Änderung: 04 Jun 2018 19:19 von Dorothee. Begründung: Ergänzung

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Antwort auf Gibt's schon klinische Alternativen zur Hochdosischemo?
04 Jun 2018 20:05
  • Jo
  • 509 Beiträge seit
    03. Jun 2018
Hallo Dorothee,

wie du schon sagst, gehört die B-Zelle eben auch zum eigenen Immunsystem. Es wäre ja fatal, wenn die eigenen T-Zellen die B-Zellen angreifen würden (dann läge wohl eine Autoimmunkrankheit vor) d.h. die Tarnkappe oder Hemmung ist ja der Normalfall. Nur wenn die B-Zelle auf ihrer Oberfläche "fremdartig" wird, kann diese Antigenkennung die T-Zelle aus der Reserve locken. Das schein wohl ein Wirkmechanismus von Lenalidomid zu sein. Wie du sicher richtig vermutest, können sich natürlich auch Resistenzen ausbilden. das passiert leider, wenn die tumorösen B-Zellen epigenetisch mutieren (mit Hilfe von Enzymen Gene an und abschalten). Deshalb ist auch die genaue genetische Analyse der B-Zelle jedes Patienten so wichtig. Nur so können doch gezielt Inhibitorenausgewählt werden, um die Plasmazelle zu zerstören. Ebenso können Substanzen eingesezt werden, die die Signalwege blockieren. Das eigene Immunsystem verfügt sogar über eine Tumorsupressorstoffe, die die ungehemmte Zeillteilung verhindern können. Leider verfügt die Tumorzelle auch über Abwehrmechanismen, indem sie sogenannte Exportproteine bildet, die Supressorproteine einfach wieder aus der Tumorzelle herausschleust.

die Heidelberger setzen nun auf ein neues Medikament mit dem Namen Selinexor, SP01, es soll die Ausschleusung verhindern können (ist leider bisher nur in Studien und noch nicht klinisch zugelassen) Für die Zukunft gibt es da wohl noch viel zu erwarten, momentan ist halt vieles noch klinisch und nicht zugelassen.
Wahrscheinlich wird man in 10 Jahren nur den Kopf schütteln, dass man so unspezifische Hammer-Medikamente eingesetzt hat, die sowohl Freund und Feind vernichten. Ich weiß immer noch nicht, ob man da noch lieber zuwarten sollte. Wenn das eigene Immunsystem Mechanismen zur Bekämpfung bekommt, wäre das sicher viel nachhaltiger und es gäbe kein Rezidiv. Wie würdest du entscheiden ?

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Antwort auf Gibt's schon klinische Alternativen zur Hochdosischemo?
04 Jun 2018 20:14
  • Jo
  • 509 Beiträge seit
    03. Jun 2018
Hallo Dorothee,

ach ja Lenalidomid wird (weil extrem teuer, Packung 8000,00 EUR) von der Krankenkasse erst zugelassen, wenn eine vorige Therapie nicht angeschlagen hat. Das ist sicher ein Grund, warum man damit erst so zögerlich ist.
Ach, was ich dich noch fragen wollte, wie steht es denn mit deiner Krankheitsverlauf. Wir lassen uns hier alle so über unsere Krankheit aus, dur gibst ausführliche Antworten und Ratschläge und wir fragen gar nicht nach, was dich betrifft ?

Liebe Grüße Jo

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Antwort auf Gibt's schon klinische Alternativen zur Hochdosischemo?
04 Jun 2018 22:13
  • Dorothee
Hallo Jo,
lieb, dass Du nach meinem Krankheitsverlauf fragst. Ich hab heute (nach Rücksprache mit Lisa) was in mein Profil gestellt. Ich bin selbst nicht betroffen und eigentlich auch keine Angehörige - sondern eine ehemalige Arbeitskollegin/langjährige Freundin einer Betroffenen. Weitere Daten möchte ich nicht ohne erweitertes Einverständnis der Betroffenen hier veröffentlichen. Bestimmt wird sie das zu gegebener Zeit selbst tun.

Lenalidomid ist zugelassen wie folgt (weißt Du aber bestimmt)

www.myelom-deutschland.de/wp-content/upl...Myelom-nach-ASCT.pdf

Ich glaub allerdings nicht, dass L aus Preisgründen in der Erstlinientherapie nicht eingesetzt wird - HD mit SZT ist wahrscheinlich teurer (weiß ich allerdings nicht genau) - sondern aus Wirksamkeits- und Unbedenklichkeitsgründen (wie Lisa bereits in anderem Thread ausgeführt hat, als es um die Zulassung neuer Therapien, die sich in der Studienphase befinden.) Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit sind im deutschen (vermutlich auch im europäischen) Arzneimittelgesetz beschrieben und Voraussetzung für eine Zulassung für bestimmte Krankheitsbilder in Abhängigkeit des Allgemeinzustandes des Patienten.

Siehe auch kurz/knapp/genial Beitrag von Gex.

Hallo Jo,
Die HD ist ja nicht alleine, sondern gefolgt von der autologen SZT. Diese gibt dir dein Immunsystem zurück. Standard ist heute zudem, dass danach noch eine Erhaltungstherapie mit Lenalidomid folgt. Diese tut dann das, was du beschreibst. Sinn der HD ist also, zwischenzeitlich die Tumorlast so weit wie möglich zu senken.
Das ist nunmal statistisch gesehen der erfolgreichere Weg als Lenalidomid allein gegen eine schon hohe Tumorlast ankämpfen zu lassen.
Im Prinzip kann jeder Patient aber auch die HD SZT ablehnen und Therapien wählen, wie sie für ältere bzw nicht transplantationsgeeignete Patienten vorgesehen sind.
Alles Gute Gex


neues Medikament mit dem Namen Selinexor, SP01

dazu gibts hier Infos - wie Lisa auch schon gepostet hat.

Wenn das eigene Immunsystem Mechanismen zur Bekämpfung bekommt, wäre das sicher viel nachhaltiger und es gäbe kein Rezidiv.

Wir alle hier hoffen auf das was Du ansprichst - nämlich dass das eigene Immunsystem durch eine Therapie so trainiert wird, dass man quasi selbst den Tumor vernichten kann. Und wie Du sagst: ... in 10 Jahren wird man vielleicht lachen... " - das hoffen wir alle. Wie der kopfschüttelnde Dr. Pille aus Raumschiff Enterprise, als die Crew auf die Erde der Jetzt-Zeit timetravelledte.

Wie würdest du entscheiden ?

Meine Antwort wäre rein hypothetisch, da ich nicht selbst betroffen bin.
Meine Antwort wäre ebenso ganz persönlich und nicht auf andere übertragbar. Weil: Die Antwort würde mit meinen persönlichen Lebensbedingungen und Lebenserwartungen zusammen hängen. Menschen mit anderen Lebensbedingungen und Lebenserwartungen treffen daher natürlich berechtigterweise ganz andere Entscheidungen.
Daher ist eine Beantwortung Deiner o.g. Frage durch mich unsinnig.
Ich vertraue auf die Zukunft und auf das, was andere Menschen in der Forschung leisten. Deshalb wünsche ich mir, dass ich - wenn selbst betroffen - das Risiko einer Teilnahme an Forschungsstudien eingehen würde.
Mit mehr Sicherheit in der Aussage kann ich ehrlicherweise nicht dienen.
LG Dorothee
Letzte Änderung: 04 Jun 2018 22:26 von Dorothee.

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