Arbeitsgemeinschaft Multiples Myelom

Arbeitsgemeinschaft Multiples Myelom (Plasmozytom, Morbus Kahler)
Online-Netzwerk für Patienten/-innen und Angehörige

Multiorganversagen

Betreff: Multiorganversagen
22 Nov 2012 13:46
  • Stoppelchen
Mein Mann ,liebevoll von mir Stoppelchen genannt (warum wohl?), wurde auf der Intensivstation für ein künstliches Koma vorbereitet.
Heute vor 9 Monaten hatten wir den letzten Augenkontakt.Seine ängstlichen und unendlichen traurigen Augen verfolgen mich täglich. Sprechen konnte er nicht mehr.Wegen einer Lungenentzündung wurde er künstlich beatmet.Nächsten Tag fand das Arztgespräch statt.Daran nahmen auch unsere erwachsenen Söhne teil.Erinnerung habe ich nicht mehr,ob da schon das Wort Aspergillose gefallen war.Nur an Lungenentzündung kann ich mich erinnern.
Trotz abraten der Ärzte und Schwester der Intensivstation,die psychische Belastung wäre für mich zu groß (habe Depressionen), konnte mich niemand von den täglichen Besuchen bei meinem Stoppelchen abhalten.Täglich informierte ich mich über den Gesundheitszustand.Mal gab es Hoffnung,mal alles unverändert bis eines Tages die Worte Sepsis und Apergillus fielen. Der gefürchtete Schimmelpilz.Der häufigste Pilz in Krankenhäuser,so bekam ich die Auskunft einer nicht involvierten Ärztin. Durch Recherche im Internet holte ich viele Infos über den Schimmelpilz und Krankenhaushygiene. Schon bei Besuchen auf der Station wunderten sich selbst Familienmitglieder und Freunde über Hygiene- und Hygienemaßnahmen Außer Handdesinfektion und Mundschutz war nichts erforderlich.Mitgebracht werden konnte alles von Apfel bis Zeitung.Die Ärzte liefen mit ihrem Mundschutz unterm Kinn oder am Ellenbogen hängend von Zimmer zu Zimmer. Mein Mann bekam zwar keimfreies Essen, Gläser und Tassen standen jedoch auf dem Krankenhausflur. Seit der Aufnahme im KH am 9.3.12 bis zur Verlegung auf die Intensivstation 22.3.12 hatte mein Mann im 2 Bettzimmer 3 verschiedene Mitpatienten mit unterschiedlichen Diagnosen.Trotz Hinweisschild vor der Zimmertür trugen deren Besucher nicht immer Mundschutz .Dies wurde mir von Familienmitgliedern berichtet.Bei einem meiner Besuche wurde Patient Nr.2 entlassen und ich beobachtete,wie das leere Bett neu hergerichtet wurde.Mit Staubwuschel wurde das Bettgestell bearbeitet, mit trocknemTuch Kopf-und Fußteil abgewischt dann neue Wäsche und Folie drauf.Mein Mann lag ohne Immunsystem daneben.
Auf der Intensivstation brauchten die Besucher ,der mit im Zimmer liegenden, anderen Patienten nicht zu Mundschutz u.Handdesinfektion greifen.Nicht mal bei Husten war es Pflicht.Am 9.4.12 starb mein Stoppelchen am septischen Schock mit Mulitorganversagen.Trost gibt mir nur ich war bei ihm und mein Stoppelchen hat mich bemerkt,denn der Monitor zeigte eine kurzzeitige Erhöhung des Blutdruckes an bis dann nach 31/2 Stunden sein Herz stillstand und er diese Welt verlassen hatte.
Ich bin übezeugt,das die Hygienemaßnahmen während der Hochchemo auch bei autologer Stammzellentranplantation überarbeitet b.z.w.verschärft werden muß und das Risiko für die Patienten an Aspergillose zu erkranken daduch gemindert wird.
Dann wäre mein Mann bestimmt noch bei mir.
Das macht mich wütend und traurig zugleich.

Vor ca. 2 Monaten erzählte unser ältester Sohn der Opa eines Freundes ist bei der Hochchemo, gleiches KH,gleiche Station,auch Apergilliose,künstliches Koma verstorben.
Ist es Zufall oder liegt es doch an den Hygienemaßnahmen?


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Antwort auf Multiorganversagen
22 Nov 2012 14:21
  • rudi
  • rudis Avatar
  • 2203 Beiträge seit
    22. Okt 2009
Hallo,
das mit der Vorgehensweise bei der autologen SZT in Doppelzimmern hat mich manchmal auch gewundert. Da ist es ja schon fast Glückssache wenn man sich nichst einfängt.

Da ist der eine in Aplasie ohne Immunsystem und bein Zimmernachbarn kommen 5 Besucher gleichzeitig und verwenden die Händedesinfektion nur spärlich oder garnicht, der Mundschutz hängst halb überm Kinn und man spricht und hustet drüberweg.
Dann werden 2-3 große Plastiktüten mit gerade im Kaufhaus gekauften neuen Wäschestücken ausgepackt und auf dem Bett des Nachbarn ausgebreitet und gleich Probeanziehen der neuen Trainigsanzüge und Sweat-Shirts gemacht.
Gekauftes Obst wird ausgebreitet. Die Besucher hängen ihre Mäntel und Jacken nur wenige Meter entfernt vom Aplasiepatienten an den Haken und beim aus und anzeihen derselben kommen die ganzen Staub und Schwebepartikel in die Raumluft.

Das hat oft nichts mit speziellem Transplantationszimmer zu tun, das sind ganz normale Doppelzimmerverhältnisse wie fast in jeder Klinik :roll:

Ich bin in Aplasie mal ausversehen ohne Mundschutz auf den Gang raus und ins Schwesternzimmer gegangen um was zu fragen. Da sagte eine Schwester zu mir: " Hey - sie haben ja gar keinen Mundschutz dran! Aber das ist eigentlich nicht so schlimm, denn was glauben sie wieviele Keime in ihrem Zimmer rumschwirren - genausoviele wie hier draussen ! Und im Zimmer haben sie ja den Mundschutz auch nicht drauf !"

Das gab mir schon zu denken ! Aber ich bin ein positiv denkender Mensch und habe es immer zuversichtlich gesehen und daran geglaubt, daß mir schon nichts passieren wird während den 3 Wochen autologer SZT in dem "fast normalen Doppelzimmer".

Du kommst schwer weg über den Verlust von deinem "Stoppelchen", das kann man in deinem Bericht lesen.
Das ist ja das traurige und schlimme, daß viele garnicht am Myelom selbst versterben, sondern schon viel früher als es sein müsste an den Therapiefolgen - eben wegen zum Teil auch Hygienemängeln und viel zu vielen zum Teil schon resistenten Erregern in unseren Krankenhäusern.

Ich habe erst vor ein paar Tagen gelesen, daß Sepsis mittlerweile die dritthäufigste Todesursache in Deutschland ist.
Das spricht für sich !

Dir viel Kraft darüber hinwegzukommen.
Liebe Grüße
Rudi

Heilung ist ein individueller Prozess, der sehr stark an das persönliche Bewusstsein gebunden ist. Daher kann kein Mensch einen anderen Menschen heilen sondern immer nur auf dem Weg zu seiner persönlichen Heilung begleiten.

rudiversal.wordpress.com

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Antwort auf Multiorganversagen
22 Nov 2012 14:38
  • jürgenk
  • 459 Beiträge seit
    25. Aug 2011
Hallo wütende Witwe
Das Schicksal von Stoppelchen mit seinem angstvoll traurigen Blick geht mir unter die Haut.
Leider kann ich all die geschilderten Umstände auch aus anderen Häusern bestätigen. Es ist vermutlich nicht die Regel, jedoch nutzen Keime auch einmalige Chancen.
Aber was hilft Dir die Antwort auf diese Frage nach Zufall oder Versäumnis?
Etwas anderes möchte ich Dir bestätigen. Dein Stoppelchen hat Dich auch im Koma wahr genommen, egal was andere dagegen halten mögen! Das kann ich aus meinen Zeiten im Koma bestätigen. Da bekam ich nicht alles mit, aber es war schön und erlebnisreich! Den Besuch der Angehörigen und oft auch die Visite habe ich erlebt und in Erinnerung behalten.
So wie Du Deinen Mann in guter Erinnerung behalten wirst.
Alles Gute
Jürgen

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Antwort auf Multiorganversagen
22 Nov 2012 15:59
  • Katrin
dein beitrag geht mir unter die haut,

mein paps lag damals im doppelzimmer, er bekam die hochdosis chemo und neben ihm hatte ein jüngerer mann ständig fieberschübe-
auf mehrmaliges fragen an die zuständige oberärztin ob der nebenpatient wohl eine grippe habe wurde seine angst nur mit" fieber ist normal" abgetan ....
am tag später die weisse invasion, 5 weisskittel stürmten sein zimmer,
mein paps wurde in ein kellerloch geschoben, ohne mundschutz oder jeglichen anderem hygieneaufwand.
dort musste er dann einen tag und eine nacht verbringen bis er durch zufall erfuhr, dass der patient neben ihm die SCHWEINEGRIPPE hatte.
nicht einmal die ärzte hätten es ihm gesagt was vorgefallen ist,
nein der zufall brachte ihm diese information!!!!!

nach intervenieren meiner schwägerin, die den landessanitätsrat eingeschalten hat, bekam mein papa ein einzelzimmer um nicht noch andere patienten anzustecken mit der möglichen schweinegrippe.
die inkubationszeit betrug genau 4 tage, ebenso lange wie es braucht bis das immunsystem cirka auf NULL ist.
ihr könnt euch sicher vorstellen, wie schrecklich diese zeit für uns alle war.
mein papa meinte nur "da stirbt man unter der hand weg und jeder weißt die schuld von sich"
gottseidank hat sich mein papa damals nicht angesteckt,
wäre es doch so gekommen wären die chancen schlecht gestanden.

wir haben dem klinikvorstand damals mit klage gedroht, die ärzte hatten sich darauf auch schon vorbereitet,
sämtliche arztgespräche wurden plötzlich nur noch mit 3 anwesenden ärzten geführt.
keiner wollte uns mehr auskunft geben ohne des Beisein eines anderen weisskittels.

gottseidank ist die horrorgeschichte in unserem fall gut ausgegangen,
jedenfalls kann ich meinen vorrednern nur zustimmen,
die umstände in manchen spitälern sind einfach-sei es durch mangelnde hygiene oder durch falsche bauliche maßnahmen -katastrophal angelegt!!!

viele traurige grüße,
katrin:cry:

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Antwort auf Multiorganversagen
22 Nov 2012 18:17
  • Margret
Liebe "Stoppelchen",

ich kann Deine Wut, Deinen Schmerz gut verstehen! Man sucht verzweifelt nach einem Grund, nach etwas Logischem, an dem man sich festhalten kann. Aber keine Frage und auch keine Antwort nehmen Dir den Verlust, den Abschied, die Trauer.

Ich kann Dir aus meiner Erfahrung nur sagen, dass es mit der Zeit besser wird, etwas milder, etwas leichter zu tragen.

Dass dein Mann Deine Anwesenheit gespürt hat - da bin ich sicher. Als ich damals ins Krankenzimmer kam, sah ich gleich, dass es nun zu Ende gehen würde. Mein Mann war im Koma, nicht ansprechbar. Ich hatte in meiner Handtasche wie immer ein Taschentuch mit meinem Lieblingsparfüm. Diesen Duft hat mein Mann sehr gliebt und ich habe ihm - ohne weiter nachzudenken - das Tuch auf das Kopfkissen gelegt. Er war sofort ganz ruhig und entspannt, die Verkrampfung der Hände löste sich,der Atem ging ruhig und gleichmäßig. Er wusste, dass ich da war.

So ähnlich wird es bei Dir auch gewesen sein - und diese Gewissheit macht vieles leichter. Trotz der Trauer und trotz der Wut.

Du kannst nur versuchen, mit der Zeit Deinen Frieden mit den Geschehnissen zu machen - ob Dein Mann bei besserer Versorgung noch bei Dir wäre, ist nicht gewiss und manchmal fragt man sich, was ihm vielleicht noch erspart geblieben ist...

Ich wünsche Dir viel Kraft und irgendwann auch wieder Frieden in der Seele,
Margret


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