Arbeitsgemeinschaft Multiples Myelom

Arbeitsgemeinschaft Multiples Myelom (Plasmozytom, Morbus Kahler)
Online-Netzwerk für Patienten/-innen und Angehörige

Lutzz ist von uns gegangen

Betreff: Lutzz ist von uns gegangen
29 Okt 2018 07:22
  • Lutzz
Ich musste meinen Mann Lutzz gehen lassen. Meinen besten Freund. Er ist unter meinen Händen weggestorben. Ich konnte für ihn nichts mehr machen.

Am 3.7.18 hatte er eine Kyphoplastie-OP an 2 BWKs. Die Rückenschmerzen waren auf Dauer nicht mehr zu ertragen.
Nach Erwachen aus der Narkose war mein Mann ab Achselhöhe abwärts vollständig gelähmt. Keine Sensibilität und Motorik mehr vorhanden. Am 4.7.18 erfolgte eine 2.OP : Spinalkanalerweiterung. Keine Besserung.

Seit MM-Diagnose hat er Zometa erhalten.

Durch die Querschnittlähmung bedingte Probleme (Blasen- und Darm-Ausfall) (Anfängliche hartnäckige Verstopfungen, kurz vor Not-OP). Er konnte durch die Lähmung nicht mehr richtig Abhusten, die Bauchmuskulatur fehlte dazu.

Am 12.7.18 ab in die REHA.
Keine eigenständige Körpertemperaturregulierung mehr vorhanden. Durch den heissen Sommer hat er hohes Fieber gehabt, da kein schwitzen mehr vorhanden war.

Fast 2 Monate lag er nur im Bett. Ende August konnte mit dem Rollstuhl gestartet werden. Anfängliche Kreislaufprobleme haben sich schnell beruhigt. Dann wurde er schnell stabil und es ging bergauf.
Hilfsmittel wurden beantragt. Die KK wollte dies und jenes noch (sträuben, s.o.). Mein Mann war jetzt bereits schon fix und fertig durch die REHA (unter anderem auch durch den Pflegenotstand). So oft ich konnte (neben meinem Volltagsjob + Nebenjob + 2 Kids 14 und 18) habe ich meinen Mann in der REHA gepflegt, so dass er dem unfreundlichen Pflegepersonal nicht ganz ausgeliefert war. Es gab aber auch sehr liebe und einfühlsames Pflegepersonal!!!
Schlussendlich haben wir uns dazu entschieden die techn. Hilfsmittel zu kaufen, damit mein Mann so schnell als möglich aus der REHA entlassen wird, denn er war bereits fit für den Alltag gemacht. Es gab nichts mehr zu erlernen.
In der letzten REHA-Woche wurde er noch mit Therapien zu gebombt. Hochleistungssport.

Am 2.10.18 war es endlich soweit, er kam nach Hause.

Leider hatte er sich kurz vor Entlassung den Urinalnerv eingeklemmt. Im rechten Arm war keine Kraft und Greiffunktion mehr vorhanden, mit Schmerzen verbunden. Das sollte aber in einigen Wochen von allein weggehen, in seltenen Fällen mit einer OP.

Anfänglich konnte er selbst kathetern . Später habe ich ihn aktiv Unterstützt, denn die Schmerzen wurden immer schlimmer.

Durch den Transport von der REHA nach Hause hat er sich eine kleine Wunde am PO zugezogen. Mein Mann war auch Diabetiker Typ2 = Wundheilungsstörung. Gefahr einer Dekubitus. Auch hier zu Hause lag er tagelang im Bett, um das die Wunde endlich verheilt und der Arm zur Ruhe kommt. Wir hatten für die vergangene Woche zwei Transporte zum Arzt geplant. Neurologe (Arm) und Onkologe (Krebs). Sonst hätte er seine Medikamente nicht mehr bekommen. Denn in der REHA wurde keine Verlaufskontrolle gemacht.

Am Sonntag (21.10.2018) gegen 20.30 Uhr habe ich ihn bettfertig gemacht inkl. manueller Darmentleerung. Ihm ging es den ganzen Umständen entsprechend gut. Für die Darmentleerung musste er dafür auf der Seite liegen.
Als ich ihn mit seiner Hilfe wieder in Rückenlage gebracht habe, habe ich gemerkt, dass er von jetzt auf gleich apathisch wirkte. Er driftete mir weg. Ich hab ihn in Seitenlage wieder gebracht, weil ich dachte, dass er sich verschluckt hätte. Auf dem Rücken geklopft. Keine Besserung. Geschaut, ob er seine Zunge verschluckt hat. Sanfte quälende Atemzüge sind ihm entwichen. Notruf 112. Ich sollte ihn wieder in Rückenlage bringen ohne Kopfkissen. Wenn er nicht atmen sollte, dann sollte ich wieder die 112 anrufen. Der RTW war bereits auf dem Weg. Er atmete nicht mehr. 112. Warteschleife. Endlich ging jemand ran. Herzdruckmassage. 1-2-3-4. 1-2-3-4. .... Der RTW kam. Mein Mann wurde vom Bett auf dem Boden gelegt. Ich sollte beim tragen den Kopf stützen. Ich hatte Angst, dass der Kopf mir aus den Händen gleitet und er auf dem Boden knallt. Auf dem Boden angekommen sollte ich mit der Herzdruckmassage weitermachen. Der Notarzt kam und löste mich ab. Gedanklich war ich schon beim Transport ins KKH, was ich alles mitnehmen muss. Schuhe waren schon angezogen. Dann kam die Frage nach einer Patientenverfügung. Flaues Gefühl in der Magengegend. Gesucht. Gefunden. Ausgehändigt. Dann kam die Aussage vom Notarzt, dass mein Mann keine lebenserhaltenden Rettungsmaßnahmen im unabwendbaren Sterbeprozess haben wollte. Ich wusste dies. Aber trotzdem waren bei mir nur noch Fragezeichen vorhanden. Ich fragte den Notarzt schließlich, wie denn jetzt überhaupt der aktuelle Stand meines Mannes wäre. Er sprach mit mir. Seit eintreffen des RTWs gab es nur noch eine Nullinie.

Es wurde mir das weitere Prozedere erklärt. Ein 2. Arzt wird die Nacht noch kommen (der kam gegen 2.30 Uhr) und dann sollte ich entscheiden, wie lange ich seinen leblosen Körper noch zu Hause haben möchte. Bis zu zwei Tagen wären möglich gewesen. Ich sollte dann nach dem Arzt ein Bestattungsunternehmen kontaktieren. Dieses kam dann gegen 5 Uhr. Vorher mit meinen Kindern und Familie Abschied genommen. So gut es ging, wenn man noch völlig unter Schock steht. Als die Bestatter zum Abfahren bereit waren, konnte ich Ihnen nicht die Tür aufmachen, dass musste irgend jemand anders übernehmen. Ich konnte es einfach nicht. Ich hätte ansonsten meinen Mann aus der Wohnung und meinem Leben geschmissen.

2 Tage später sitzt man schon beim Bestatter und klärt alles. Und immer wieder der Gedanke: das ist alles ein absoluter Alptraum- was machst du hier eigentlich???

Nun sitze ich hier mit den ganzen Hilfsmitteln und versuche sie irgendwie zu verkaufen, damit für die Kinder wieder etwas wohnliche Normalität einzieht.

Aber ich bin der festen Überzeugung, wenn wir die Hilfsmittel gemietet hättet, dass mein Mann es nicht mehr bis nach Hause geschafft hätte. Es war sein großer Wunsch zuhause zu sterben. Und ich hatte das große Privileg ihn bis dahin zu begleiten.

Die Nachricht von Bernards Tod hat ihn auch ganz schön beschäftigt.

Die Zeit, die Gesundheit und die Gabe der Liebe ist das wertvollste Gut, was wir Besitzen.

Ich wünsche Euch allen hier ganz viel Kraft und Lebensmut!

Mein Mann hat bis zu letzt alles gegeben!

Birgit (Ehefrau von Lutzz)
Letzte Änderung: 29 Okt 2018 07:23 von Lutzz. Begründung: Änderung

Bitte Anmelden oder Registrieren um der Konversation beizutreten.

Antwort auf Lutzz ist von uns gegangen
29 Okt 2018 07:45
  • Angelika52
  • Angelika52s Avatar
  • 328 Beiträge seit
    04. Mai 2016
Mein herzliches Beileid und viel Kraft der Familie


In Gedanken

Angelika

Wir sind, was wir denken.
Alles, was wir sind, entsteht aus unseren Gedanken. Mit unseren Gedanken formen wir die Welt. -Buddha -

Bitte Anmelden oder Registrieren um der Konversation beizutreten.

Antwort auf Lutzz ist von uns gegangen
29 Okt 2018 08:58
  • Kaeferle
  • 171 Beiträge seit
    07. Jan 2018
Liebe Birgit,
Du hast Deinen Mann bis zu seiner letzten Minute begleitet. Es ist sehr traurig. Ich wünsche dir Kraft und Menschen, die dir zur Seite stehen.

Mein herzliches Beileid

Monika

Bitte Anmelden oder Registrieren um der Konversation beizutreten.

Antwort auf Lutzz ist von uns gegangen
29 Okt 2018 09:27
  • lisa_kotschi
  • lisa_kotschis Avatar
  • 1139 Beiträge seit
    26. Okt 2009
Liebe Birgit,

ich weiß eigentlich gar nicht, was ich auf Deinen Bericht antworten soll. Er hat mich sehr erschüttert und ich kann Deine Fassungslosigkeit und Deinen Schock gut verstehen. Trotz des unguten Verlaufs nach der RückenOP schien ja nichts darauf hinzuweisen, dass es zu einem plötzlichen Herzstillstand (?) kommt.

Lutzz war seit langem in unserem Forum unterwegs, auch wenn er selten schrieb. Noch im letzten Herbst ergänzte er sein Profil: „nachtrag vom oktober 2017 - immer noch knapp in cr! das hätte ich kaum für möglich gehalten. hab ja meiner frau immer wieder versprochen, dass sie mich noch einige jahre ertragen muß. langsam beginnt sie mir zu glauben“

Jetzt ist es doch noch anders gekommen, ein Jahr später.

Liebe Birgitt, Dir und euren Kindern wünsche ich viel Kraft, die kommende Zeit zu überstehen, aber gegenseitige Liebe und Zuneigung werden helfen.

Fühl Dich von mir von der Ferne umarmt und gehalten.
Lisa

Bitte Anmelden oder Registrieren um der Konversation beizutreten.

Antwort auf Lutzz ist von uns gegangen
29 Okt 2018 10:16
  • UndineD.
  • 691 Beiträge seit
    28. Dez 2015
Wieder fehlen mir die Worte angesichts dieser Leidensgeschichte.
Mein herzliches Beileid gilt den Hinterbliebenen.
Undine

Bitte Anmelden oder Registrieren um der Konversation beizutreten.

Antwort auf Lutzz ist von uns gegangen
29 Okt 2018 11:29
  • christine
Liebe Birgit,
Ich bin sehr betroffen und wünsche Dir und der ganzen Familie ganz viel Kraft und Zuversicht für die kommende Zeit.

Ganz liebe Grüsse
Christine

Bitte Anmelden oder Registrieren um der Konversation beizutreten.

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.