Arbeitsgemeinschaft Multiples Myelom

Arbeitsgemeinschaft Multiples Myelom (Plasmozytom, Morbus Kahler)
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Persönlicher Bericht: Knapp dem Querschnitt entkommen

Betreff: Persönlicher Bericht: Knapp dem Querschnitt entkommen
17 Jun 2018 15:35
  • UndineD.
  • 691 Beiträge seit
    28. Dez 2015
Vielleicht können diese Informationen Andere vor ähnlichem Verlauf bewahren:
Mit plötzlich aufgetretenen starken Rückenschmerzen (August 2017) wollte ich diesmal alles richtig machen u. bestand sofort auf einer CT. Ich habe immer gesagt: es fühlt sich an, wie damals der Wirbelbruch. Aber die CT war negativ: „Da ist nix.“ Mir half es nicht sehr, denn ich konnte mit den weiterhin schlagartig auftretenden Schmerzen nicht gehen, habe oft geschrien vor Schmerz. Und ich bin keine Heulsuse. Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass sämtliche Ärzte die Stärke meiner Schmerzen u. die Notwendigkeit die Ursache zu ergründen nicht verstanden.
Fehldiagnosen waren zunächst „Muskelverspannungen, Überlastung“, für die Onkologin waren es „eben Myelom- bedingte Schmerzen. Zwischendurch die Verdachtsdiagnose: „Knochenhautentzündung“ Dann KH Aufenthalt der nichts brachte, aber ein Knochenszintigramm- auch ohne neuen Befund, keine Auffälligkeit im Schmerzbereich. Allerdings verschlechterte meine Gesamtsituation sich nach dem KH- Aufenthalt rapide. Dort war zwar nichts passiert, außer, dass diverse Orthopäden meinten, auf den Wirbeln herumklopfen zu müssen um einen Bruch festzustellen. Das hat mir wahrscheinlich den Rest gegeben!
Bis dahin waren alle einig, dass ein MRT nicht in Frage kommt, wegen des Metallgestells im Rücken, mit etwas dubioser Materialangabe. „Das fliegt Ihnen um die Ohren“ „Das könnte sich lockern“ usw.
Erst in einem Wirbelsäulenzentrum war ein Neurochirurg der meine Situation (bis dahin über 3 Monate) sehr ernst nahm. Er stellte auch leichte neurologische Störungen fest u. orderte eine MRT- Untersuchung bei einem Radiologen der keine Bedenken hatte. Leider musste ich trotz der Dringlichkeit 5 Wochen auf diesen Termin warten. In diesen Wochen verschlechterte sich mein Zustand erschreckend immer schneller. Die Schmerzen waren nicht zum Aushalten, hinzu kamen schubweise neue Schmerzen im Brust- Rückenbereich wie starke Stromschläge. Immer mehr Gehstörungen, zeitweise kaum Gefühl in den Beinen. Wohlgemerkt: Auch das habe ich meinen Ärzten versucht zu vermitteln- mit der Diagnose: „Magnesiummangel“ u. „neuropathische Schmerzen auf Grund MM“. Ich wusste, das kann nicht alles sein, ich wartete nur noch auf den MRT- Termin, war auch kaum noch handlungsfähig. Hatte noch einige häusliche Unfälle weil plötzlich die Beine wegknickten.
Bei der MRT- Untersuchung ließ ich mir Beruhigungsmittel spritzen- dadurch entging mir, dass auch Kontrastmittel gegeben wurde. Der Radiologe sah mich sehr mitleidig an u. riet sofort in die Uniklinik zu fahren. Ansonsten saß ich noch sehr benommen da u. verstand nicht viel. Hörte nur von „Tumor außerhalb der Wirbelsäule…“
In der Uniklinik, Abt. Neurochirurgie, nach 6 Std. Wartezeit bellte mich der diensthabende Arzt an: „Sie werden morgen notoperiert, sonst sind Sie querschnittgelähmt!“
Meine erste Wirbelsäulen- Stabilisierung vor 2 Jahren im hiesigen Krankenhaus ist wohl (nach Aussage ALLER jetzigen Ärzte in der Uniklinik) so unsachgemäß, unzureichend grottenschlecht gemacht worden, dass es erstaunlicherweise überhaupt 2 Jahre gehalten hat. Der „stabilisierte“ 7. Brust- Wirbel war völlig zusammengebrochen, hing nun mit Zement- und Metallfragmenten im Rückenmark, Folge dadurch zuletzt immer mehr neurolog. Ausfallerscheinungen, nun bereits fortgeschrittener Teil- Querschnitt. Leider war das erst im MRT sichtbar. Ich hatte keine Ahnung, dass meine Symptome auf beginnenden Querschnitt hindeuten- alle behandelnden Ärzte wohl auch nicht!
Eine sofortige OP war alternativlos- drei Tage vor Weihnachten. Der nächste Schock war die Belehrung, dass Rückenmark sich NICHT regeneriert, d. h. man könne den fortgeschrittenen Teil-Querschnitt nur aufhalten, nicht rückgängig machen. Ob ich je wieder gehen könne sei fraglich.
Der 7. Brustwirbel ist etwa Höhe “BH-Verschluss“ sage ich immer. Von da an abwärts spürte ich kaum noch etwas.
Die stundenlange OP habe ich gut durchgestanden. Allerdings durch das Ausgraben des festgewachsenen „alten“ Gestells sehr viel Blut verloren. Bluttransfusionen waren erforderlich. Mein bis dahin stets guter HB- Wert lässt seitdem zu wünschen übrig. Weihnachten lag ich brustabwärts bewegungsunfähig in der Klinik. Ich konnte 2 Zehen bewegen. Meine Familie, gab später zu, dass sie dachten: Das wird nie wieder.
Meine Schmerzen, die ich monatelang hatte, sind unbeschreiblich. Meine Gefühle, den Querschntt betreffend, auch. Ich erinnere mich aber ganz genau, dass ich bei den sehr negativen Ausführungen der Ärzte keineswegs in Panik oder Hoffnungslosigkeit verfiel, sondern trotzig dachte: „Nun, das werden wir ja sehen, ich konnte bisher gehen, also werde ich auch weiterhin gehen.“
Zum Erstaunen des gesamten Pflegepersonals u. der Ärzte habe ich geschafft (mit Hilfe) wieder zu gehen.
Sicher habe ich mal wieder viel Glück im Unglück gehabt. Aber es erforderte auch sehr viel Ausdauer, Schmerzen u. vor allem meinen eisernen Willen, dass ich wieder gehen kann. Z. Z. noch mit Rollator bzw. Rollstuhl, aber ich hoffe, dass wird besser.
Zusammengefasst: Ich war in dieser Sache beim Hausarzt, Orthopäden, Radiologen, Onkologen, Neurochirurgen, sogar im Krankenhaus. Ich habe alle Untersuchungen gemacht. Ich habe stets präzise meine Beschwerden geschildert. Wie oft ich gehört habe: „Da ist nix“ weiß ich nicht mehr. Niemand hat den Ernst meiner Lage erkannt, bis auf den Neurochirurgen zuletzt, aber auch der beließ es bei dem MRT-Termin nach 5 Wochen.
Und ich selbst war unwissend was Symptome für beginnenden Querschnitt betrifft. Mich hat niemand gewarnt.
Ich habe aber keine Kraft u. Energie übrig um Irgendjemanden Vorwürfe zu machen.
L.G. Undine

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Antwort auf Persönlicher Bericht: Knapp dem Querschnitt entkommen
17 Jun 2018 17:14
  • lisa_kotschi
  • lisa_kotschis Avatar
  • 1139 Beiträge seit
    26. Okt 2009
liebe Undine,

Dein Bericht hat mich schwer erschüttert. Wenn ich Dich richtig verstehe, hat erst ein Myelomzentrum bzw. eine erfahrene Uniklinik Dein Schlamassel entdeckt, wenn auch erst in letzter Sekunde. Gut, dass Du so hartnäckig geblieben bist.
Ich wünsche Dir herzlich gute Fortschritte, sodass Du bald ohne Rollator oder Rollstuhl auskommst.
Lisa
Letzte Änderung: 17 Jun 2018 17:35 von lisa_kotschi.

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Antwort auf Persönlicher Bericht: Knapp dem Querschnitt entkommen
17 Jun 2018 17:16
  • hase25
  • hase25s Avatar
  • 419 Beiträge seit
    15. Feb 2017
Liebe Undine,
da hast du ja einiges mitgemacht. Es ist gut, dass du immer wieder am "Ball" geblieben bist. Wer weiß, wie es dir sonst heute gehen würde!
Wünsche dir weiterhin viel Ausdauer und einen langen Atem!

Grüße Katharina

Ein Tag ohne ein Lächeln ist ein verlorener Tag!

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Antwort auf Persönlicher Bericht: Knapp dem Querschnitt entkommen
17 Jun 2018 19:38
  • UndineD.
  • 691 Beiträge seit
    28. Dez 2015
Liebe Lisa,
ein Myelomzentrum war es nicht, "erkannt" hat es der Radiologe im MRT. In der Uniklinik wurde es dann "auf den Punkt gebracht" und operiert.
Erschreckend ist für mich u.a. immer wieder,dass einfach alles dem Myelom zugeordnet wird, wenn die Diagnose mal steht. Dabei wird manches übersehen oder falsch zugeordnet. So war jetzt in meinem Fall das Myelom ja nur seeehr indirekt die Ursache der Schmerzen, sondern der Zusammenbruch des Wirbels mitsamt Gestell, was dann immer mehr im Rückenmark hing. Und nicht etwa übliche allgemeine Knochenschmerzen durch MM.
Es wäre eine hilfreiche Idee, wenn die Ärzte einfach mehr auf die Einschätzung erfahrener Schmerzpatienten hören würden. Nun gut, von irgendetwas muss man auch träumen dürfen.;)
Vielen Dank für deine guten Wünsche!
Liebe Katharina, auch dir danke für die guten Wünsche!
L.G. Undine

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Antwort auf Persönlicher Bericht: Knapp dem Querschnitt entkommen
17 Jun 2018 20:40
  • Jo
  • 506 Beiträge seit
    03. Jun 2018
Guten Abend Undine, ich fühle stark mit dir und kann mich wirklich sehr gut in deinen Krankheitsverlauf hineinversetzen. Im November 2017 sind mir auf unerklärlichen Weise 5 Wirbel wie Dominosteine eingebrochen. Ich war zunächst total bewegungsunfähig und wurde zum Pflegefall mit unerträglichen Schmerzen. In der akuten Phase war ich im Krankenhaus und bei einem niedergelassenen Orthopäden in Behandlung. Das Krankenhaus hat mir eine Versteifung (Zementierung) der Wirbel vorgeschlagen, um mir die Schmerzen zu nehmen. Mein Orthopäde riet davon ab ("Sie bleiben ein Pflegefall, ihr Rücken wird zum Brett, man muss das konservativ austeilen, damit Sie ihre Beweglichkeit zurückerhalten"). Wenn sich allerdings neurologische Probleme bei den Brüchen (Einklemmung von Rückennerven) ergeben hätten, dann wäre eine OP natürlich unbedingt notwendig gewesen. Da hatte ich dann wohl großes Glück. Der Orthopäde hat dann mit mir eine akute Schmerztherapie und intensives Physiotraining mit intensiver Reha begonnen, das Krankenhaus war für mich in dieser Sache überhaupt nicht hilfreich. Heute bin ich meinem Orthopäden unendlich dankbar. Seit Ende Februar bin ich wieder alltagsfit. Nun kämpfe ich, wie alle hier, mit der Ursache für meine Brüche.
Ich kann auch sehr gut nachvollziehen, dass du nicht gut auf dein Krankenhaus zu sprechen warst. Auch ich habe mit unendlichem eisernen Willen und viel Training meine Beweglichkeit zu einem guten Teil wieder erreicht. Ich wünsche dir ganz viel Kraft und möchte dich sehr ermutigen so weiter zumachen, wir schaffen das!!
LG Jo

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Antwort auf Persönlicher Bericht: Knapp dem Querschnitt entkommen
18 Jun 2018 18:21
  • gex
  • gexs Avatar
  • 587 Beiträge seit
    15. Jun 2016
Hallo Undine,

"dass einfach alles dem Myelom zugeordnet wird"

ganz wichtiger Punkt, den du da ansprichst:
Ärzte (und wir Patienten) neigen dazu zu vergessen, dass man sich auch andere Erkrankungen zuziehen kann. Alle starren nur auf das MM (wie das Kaninchen auf die Schlange) und dann kommt unvermittelt das Herz, die Diabetes, Zweittumor, Sepsis, usw. (oder beim Kaninchen der Habicht von hinten)...

Jegliche Beschwerden bedürfen einer gründlichen Untersuchung und Betrachtung - mit und ohne Verbindung zum MM - bei den jeweiligen Fachärzten. Ein Hämatologe oder MM-Spezialist kann nicht alles allein ergründen und kann auf den Holzweg MM geraten.
Gut, dass du da den Fuss in die Tür gebracht hast, und jetzt wird es hoffenlich wieder.
Viel Glück Gex

Diagnose Smoldering MM 01/14, IgG lambda, FISH t(11;14)
Erste Therapie ab 04/19: Isatuximab + VRd -> VGPR erreicht
ab 12/19 Isatuximab + Rd, keine weitere Verbesserung
09/20 HD/aSZT sehr gut vertragen und deutlich besseres Ansprechen, danach keine Erhaltungstherapie
Anfang 2023 Rezidiv mit Rippenbrüchen und Osteolyse Schlüsselbein
seit 06/23 Pomalidomid +Dex, wieder VGPR

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