Arbeitsgemeinschaft Multiples Myelom

Arbeitsgemeinschaft Multiples Myelom (Plasmozytom, Morbus Kahler)
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Gibt's schon klinische Alternativen zur Hochdosischemo?

Betreff: Gibt's schon klinische Alternativen zur Hochdosischemo?
03 Jun 2018 13:06
  • Jo
  • 509 Beiträge seit
    03. Jun 2018
Guten Tag liebe Mitleser(innen)! Die Hochdosistherapie gehört heute leider noch zu den "Goldstandards", obwohl auch gesunde Zellen und das eigene Immunsystem dabei zum großen Teil zerstört wird. Der Grund scheint nur eine lebensverlängernde Maßnahme zu sein, weil fast alle Patienten nach der Therapie ein Rezidiv bekommen. Dies wird dann wieder in einer Doppeltherapie ( also Hochdosischemo noch einmal) weiterbehandelt, ehe es in eine Erhaltungstherapie geht. Es ist daher keine Therapie, die auf Heilung setzt (kurativ) sondern eine Therapie der Paleativmedizin ( hinauszögernd)
Ich selbst habe 5 Wirbelbrüche aufgrund osteolytischer Knochenauflösung erfahren. Nach intensiver Reha und Biophosphate gegen Osteoporose könnte das Gleichgewicht der Knochenheilung/Bildung (Osteoblasten) und der Knochenauflösung (Osteoklasten) einigermaßen ins Gleichgewicht bringen und ich bin wieder einigermaßen alltagsfit. Warum ich die spontanen Knochenbrüche überhaupt erfahren habe, ist jetzt erst festgestellt worden: Diagnose multiplen Myelom.
Als Induktiontherapie wurden 3 Zyklen Chemo mit Cyclophosohamid und Bortazomid gegeben. Die Therapie ist in ganzer Linie fehlgeschlagen. Die starken Nebenwirkungen auf andere sich schnell Teilmengen gesunden Zellen (Schleimhautentzündung in Speiseröhre, Magen und Bronchien) könnte auch die erhoffte Wirkung ( Senkung des Spiegels meiner pathologischen wirksamen Paraproteine) nicht erzielt werden. Statt dessen hat sich der Spiegel sogar noch erhöht! Sodann würde die Therapie abgebrochen und man versucht Plan B: ich bekomme nun Lenalidomid, ein immunmodulatorisch wirksames Medikament, dass die tumorösen B - Zellen von meinen eigenen Immunsystem besser erkennen läßt. Nach dem ersten Zyklus ist es vielversprechend. Mein Paraproteinspiegel ( der bei mir die pathologischen wirksame falsche Signalgebung an meine Osteoklasten auslöst) ist schon auf 1/3 gesunken. Dabei stellen also meine eigenen T-Zellen, die die tumorösen Plasmazellen nun besser erkennen eine entscheidende Rolle.
Wenn also mein eigenes Immunsytem entscheidend bei der Krankheitsbekämpfung hilft, verstehe ich eigentlich die anschließende Hochdosischemo nicht. Sie zerstört doch mein Immunsystem und meine jetzt. Im Kampf wirksamen T- Zellen? Kann mir da einmal jemand etwas zu sagen?

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Antwort auf Gibt's schon klinische Alternativen zur Hochdosischemo?
03 Jun 2018 14:31
  • klaus99
  • klaus99s Avatar
  • 468 Beiträge seit
    05. Feb 2014
Hallo Jo,

so schmerzhaft es klingt, alle Therapien, ob Hochdosis oder andere Maßnahmen, sind beim MM leider derzeit nur lebensverlängernde Maßnahmen. Ja, die Hochdosistherapie mit Melphalan zerstört das Knochenmark und damit das gesamte blutbildende System einschließlich des Immunsystems, aber auch (und das ist das eigentliche Ziel) möglichst viele Myelomzellen im Knochenmark. Die Hochdosistherapie erfolgt aber ausschließlich in Verbindung mit einer Stammzellentransplantation, die das blutbildende System und das Immunsystem wieder aufbaut.


Ob eine Hochdosistherapie in Frage kommt, hängt entscheidend davon ab, wie alt der Patient ist bzw. ob er aus sonstigen gesundheitlichen Gründen eine solche Therapie nicht vertragen würde.


Schau dir doch mal folgende Informationen genauer an:

www.myelom.org/diagnose-therapie/basisbe...ng/standardtherapien

www.klinikum.uni-heidelberg.de/fileadmin...ndbuch_mit_Cover.pdf

www.myelom.org/component/jdownloads/send...mzelltransplantation

www.takeda-onkologie.de/multiples-myelom/service/mediathek

Zusammengefasst: Das MM ist nach derzeitigem Stand leider noch nicht heilbar; alle Therapien können aktuell dem Patienten nur ein möglichst langes Überleben bei möglichst guter Lebensqualität verschaffen. Dabei ist die Hochdosistherapie immer noch die Therapie, die in der Regel die besten Erfolgsaussichten hat.


Aber letztendlich entscheidet immer der Patient, welche der ihm von seinen behandelnden Ärzten vorgeschlagenen Therapien er machen will, insoweit entscheidest DU.


Gruß

Klaus

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Antwort auf Gibt's schon klinische Alternativen zur Hochdosischemo?
03 Jun 2018 14:39
  • Dorothee
Hallo Jo,
der Begriff "immunmodulatorische Substanzen" ist leider ein bisschen euphemistisch (eine Tatsache verschönernd). Lenalidomid ist ebenso wie Pomalidomid ein Nachfolger von Thalidomid, das in den 60er Jahren als Schlafmittel eingesetzt hässliche Berühmtheit erlangt hat

www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/a...-contergan-teratogen

Die beiden Nachfolgesubstanzen bieten mehr Anti-Tumor-Wirkung und weniger Nebenwirkungen für den Patienten. Die Wirkweise besteht allerdings nicht nur in der Aktivierung von eigenen Immunzellen, sondern auch in der Blockade der Neubildung von Blutgefäßen (ist wichtig in der Krebstherapie, da Tumore u.a. so schnell wachsen können, weil sie selbst Substanzen bilden, die zur Blutgefäßneubildung und daher zu besseren Blutversorgung des Tumorgewebes führen). Das erklärt unter anderem die fruchtschädigende Wirkung dieser Substanzen.
Vor allem aber greifen die o.g. Arzneimittel bestimmte Proteinkomplexe (sie blockieren diese Proteine), die sehr häufig auf Tumorzellen gebildet werden, an. Die Blockade führt zum Tod der Tumorzelle. So weit so gut. Leider werden diese Proteine eben NICHT NUR auf Tumorzellen gebildet (und auch die Bildung auf Tumorzellen ist nicht bei allen Menschen gleich stark - deswegen hilft Lenalidomid bei manchen Patienten auch nicht). D.H. auch jede Menge gesunde Zellen werden so abgetötet. Und das wiederum erklärt die Nebenwirkungen z.B. auf das gesamte Blutbildende System. Also ist auch die Anwendung von Lenalidomid sowohl nicht ungefährlich als auch nicht immer wirksam.
Darüber gibts hier viele Berichte.

Deine eigentliche Frage: Wieso immer noch HD mit autologer SZT: Da liegen Studien- Werte zugrunde, die belegen, dass IM ALLGEMEINEN diese Methode (eventuell als Tandem ausgeführt) die höchsten und langdauernsten Remissions-Erfolge hat. Was IM ALLGEMEINEN für den Patienten eine lange Lebensdauer mit akzeptabler Lebensqualität bedeutet.
Natürlich gibt es individuelle Unterschiede. Da man diese leider nur durch individuelle Erfahrung erkennen kann - behandeln die Ärzte zunächst mal nach dem Schema, das die höchste Wahrscheinlichkeit auf Erfolg verspricht.

Ich hoffe, dass Du mit meiner Antwort was anfangen kannst - und drück natürlich die Daumen, dass das Lenalidomid weiter so gut bei Dir anschlägt !!!

LG Dorothee

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Antwort auf Gibt's schon klinische Alternativen zur Hochdosischemo?
03 Jun 2018 23:05
  • Jo
  • 509 Beiträge seit
    03. Jun 2018
Hallo Dorothee, vielen Dank für deinen Beitrag. Dass Lenalidomid letztlich ein Derivat des in den 60er Jahren als Schlafmittel angewandten Contergans ist und in der Embryonalentwicklung zu Mißbildungen geführt hat war mir natürlich bekannt. Die Zulassung als Krebsmedikament ist ja auch noch nicht so lange. Ich hatte eine Doktorarbeit zum herausgefunden Wirknechanismus von Lenalidomid auf Plasmazellen von der Uniklinik Ulm gelesen. Danach wird die tumoröse B-Zelle über verschiedene Zwischenstufen markiert also fremdartig gemacht um dadurch für die eigenen T-Zellen besser angreifbar zu werden, es nimmt quasi die Bremse aus den T-zellen. Da eine vorangegangene Induktions-Chemotherapie mit Cyclophosohamid meine pathologisch wirksamen Paraproteine haben eher noch anwachsen lassen, ist die Therapie dann abgebrochen worden. Der Plan B war nun Lenalidomid und das wirkt genau wie in der Studie aus Ulm beschrieb mit Hilfe meines Immunsystems.Natürlich reagiert jeder Patient ganz individuell auf die Therapieoptionen. Wenn aber bei mir bisher nur eine Therapie mit Hilfe meines eigenen Immunsystems anschlägt, dann wäre es doch kontraproduktiv mein Immunsystem komplett zu zerstören? Bei meinen Nachfragen bekomme ich nur die Antwort, dass die Hochdosischemo zur Zeit noch die Königsdisziplin in der Behandlung des multiplen Myelom sei, alle neueren für die Zukunft zu erwartenden Verfahren (cart-t-zellentherapie, Genschere, programmierte Antikörper etc) seien noch nicht klinisch. Wenn aber in Zukunft die Hochdosischemo durch neuere spezifischer wirksamer Verfahren abgelöst wird, sollte man dann doch lieber noch eher zulasten, eher man sein eigenes Immunsystem zerstören läßt?

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Antwort auf Gibt's schon klinische Alternativen zur Hochdosischemo?
04 Jun 2018 00:21
  • Emi
  • Emis Avatar
  • 230 Beiträge seit
    17. Dez 2015
Was ich mich bei der autologen HD immer noch frage, ist, was genau die Verarbeitung der Stammzellen bedeutet. Ich glaube gelesen zu haben, es geht auch um eine "Reinigung" der Stammzellen (so gut wie möglich und wie auch immer das Verfahren aussieht), finde aber heute keine Informationen dazu mehr. Denn die vorher geernteten Stammzellen inklusive der x% MM-Klone zurückzutransplantieren in das "gesäuberte" System, leuchtet mir irgendwie nicht ein. Dass da was passiert ist, konnte ich bei meinem Mann auch daran sehen, dass kurz nach der HD z.B seine Neurodermitis und Allergien weg bzw. deutlich besser waren (sie kommen allmählich wieder). Auch sein Immungedächtnis war beeinträchtigt. So steckte er sich bei mir mit meinem Herpes Zoster Ausbruch mit Windpocken an, obwohl er diese im Kindesalter definitiv schon hatte. Dieses Erlebnis brachte den behandelnden Onkologen endlich dazu, die Basisimpfungen nachzuholen, wie es hier ja auch schon oft im Forum empfohlen wurde. Auch hier also nur Teilwissen... deshalb immer die Ärzte fordern :-)
Bei meinem Mann hatte die HD übrigens überhaupt keinen Effekt auf die Remission. Er entschied sich gegen eine doppelte, die Ärzte (Heidelberg, dort regelmäßige Zweitmeinung!) konnten insbesondere nicht überzeugend argumentieren, dass die zweite HD dann greift, wenn die erste komplett ohne Effekt war... . Ich zitiere dazu auch mal das Patientenhandbuch Heidelberg: "wahrscheinlich bessere Prognose für Patienten ohne komplette Remission oder <90 % Tumorreduktion nach erster Transplantation" - Wahrscheinlich, aber sicher weiß man es nicht! So kam es auch im Gespräch rüber.

We don't know how strong we are until being strong is the only choice we have.

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Antwort auf Gibt's schon klinische Alternativen zur Hochdosischemo?
04 Jun 2018 14:14
  • Dori12
  • 9 Beiträge seit
    29. Mai 2017
Hallo Emi,

bei meinem Mann sollte eine Tandem Hochdosis durchgeführt werden, aber 2 Monate nach der Hochdosis, beim ersten Kontrolltermin waren die Werte wieder angestiegen und schlechter als vor der Hochdosis. In Würzburg wurde dann gesagt, in diesem Fall macht eine weitere Hochdosis keinen Sinn.

Er bekommt jetzt wieder die Chemo von vor der HD (PAD mit Revlimid). da diese ja geholfen hatte.

Für mich machte vorher die Hochdosis auch keinen Sinn, da er in Remission war, aber wir hofften ja noch auf einige Jahre ohne Behandlung und hörten deshalb auf die Ärzte.
Leider ist ja jeder Fall anders, und das MM meines Mannes sehr behandlungsresistent.

Euch viel Erfolg

lG Dori

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