Arbeitsgemeinschaft Multiples Myelom

Arbeitsgemeinschaft Multiples Myelom (Plasmozytom, Morbus Kahler)
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Im Anschluss an die Untersuchungen, die bei Verdacht auf das Vorliegen eines Multiplen Myeloms durchführt werden, stellt der Hämatologe aufgrund der erhobenen Befunde eine Diagnose. Dabei sind „Monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS)“, „Smoldering Myeloma“ und Multiples Myelom die häufigsten Diagnosen. Daher wird im Folgenden näher darauf eingegangen. Darüber hinaus sind aber auch seltene andere Diagnosen denkbar, wie AL-Amyloidose, solitäres Plasmozytom, Leichtkettenablagerungserkrankung (Light-Chain Deposition Disease) oder andere Plasmazellerkrankungen. Nach neuesten Erkenntnissen der iStoppMM-Studie kann man bei der Abklärung eines nur diskret ausgeprägten M-Proteins in bestimmten Fällen auf eine Knochenmarkpunktion verzichten. Ein Kalkulator dazu findet sich unter  https://istoppMM.com/riskmodel/

Monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz

Bei der Monoklonalen Gammopathie unklarer Signifikanz – oder kurz „MGUS“ – handelt es sich um eine zum aktuellen Zeitpunkt gutartige Veränderung, die keiner Behandlung bedarf. Ein MGUS liegt vor, wenn sich im Knochenmark ein Plasmazellklon zeigt, dessen Größe weniger als 10% der kernhaltigen Zellen ausmacht und dessen Bildung von M-Protein (monoklonalem Protein) zu Werten kleiner als 3 g/dl im Serum und weniger als 500 mg/24h im Sammelurin führt. Gleichzeitig dürfen keine Organschäden oder Biomarker (SLiM-Kriterien) vorliegen (genauere Erläuterungen hierzu siehe Abschnitt „Multiples Myelom“).

Zusammenfassend bedeutet das Vorliegen eines MGUS, dass sich im Knochenmark ein kleiner Klon aus Plasmazellen befindet, der ein monoklonales, sinnloses M-Protein produziert, das im Blut zirkuliert. Der Klon selbst zeigt kein Wachstum. Weder der Zellklon, noch das produzierte M-Protein haben eine schädliche Wirkung auf andere Organe des Körpers. Aus diesem Grund besteht keine Notwendigkeit zur Behandlung.

Es handelt sich hierbei um einen Fehler im Immunsystem, respektive in einer Plasmazelle. Ein solcher Fehler tritt mit zunehmendem Alter in ansteigender Häufigkeit auf. Bei Kindern findet sich dieses Phänomen in weniger als einem Kind pro 10.000. Unter den 50-Jährigen ist bereits jeder 76. betroffen. Im höheren Lebensalter steigt die Zahl weiter. So weist jeder 26. der 70-Jährigen und jeder 13. im Alter von 90 Jahren ein MGUS auf.

Auch wenn es sich um einen harmlosen Fehler handelt, sollte man bei Vorliegen eines MGUS altersentsprechend regelmäßige Kontrollen in Blut und Urin durchführen, um ein mögliches Fortschreiten zu einer bösartigen Erkrankung rechtzeitig zu erkennen.

Das Risiko für eine solches Fortschreiten beträgt generell über alle Personen mit MGUS hinweg gesehen ca. 1% pro Jahr (Abbildung 3). Das individuelle Risiko kann aber auch anhand eines einfachen Scores genauer berechnet werden. Dabei gibt es jeweils einen Punkt für das Vorliegen eines M-Proteins größer als 1,5 g/dl, ein nicht normales Verhältnis (Ratio) der freien Leichtketten oder für das Vorliegen eines Nicht-IgG-Subtyps. Je nach Anzahl der Punkte kann das Risiko für ein Fortschreiten in den nächsten 20 Jahren anhand Tabelle 1 abgelesen werden.

Tab 1

Tab. 1 Mithilfe des Scores kann das Risiko für ein Fortschreiten eines MGUS in eine bösartige Erkrankung einschätzt werden [„FLC“ steht für Free Light Chain  = Freie Leichtkette; Progress = Fortschreiten, Non = Nicht].

Abb 1

Multiples Myelom

Ein Multiples Myelom liegt dann vor, wenn sich im Knochenmark ein Befall von Plasmazellen zeigt, der mehr als 10% der kernhaltigen Zellen ausmacht und/oder ein M-Protein im Serum und/oder Urin vorhanden ist. Zudem ist zwingend erforderlich, dass zumindest ein Organschaden oder ein Biomarker vorliegen (Abbildung 2). Ist dies der Fall, liegt die Diagnose eines Multiplen Myeloms vor und es besteht damit automatisch eine Behandlungsbedürftigkeit, um ein Fortschreiten bzw. im Fall von Biomarkern das Auftreten von Organschäden zu verhindern.

Abb 2

Abb. 2 CRAB- und SliM-Kriterien beim Multiplen Myelom [KM = Knochenmark,  PC = Plasmazellen]

Die Organschäden werden nach den sogenannten CRAB-Kriterien bestimmt. Dabei steht C für ein erhöhtes Kalzium, R für eine Nierenschädigung durch das M-Protein bzw. klonale freie Leichtketten (engl. „renal disease“ =  Nierenerkrankung), A für eine Blutarmut (Anämie) aufgrund der im Knochenmark befindlichen Plasmazellen und B für Veränderungen am Knochen (engl. „bone disease“ = Knochenerkrankung). Diese Knochenveränderungen heißen medizinisch „Osteolysen“. Gemeint sind damit „Löcher“ im Knochen, die bei entsprechender Größe und Lokalisation auch zu Knochenbrüchen führen können. Sie werden klassischerweise in einem low-dose CT des Skeletts nachgewiesen.

Neben bereits bestehenden Organschäden gibt es die sogenannten Biomarker, die mit einem sehr hohen Risiko für ein kurzfristiges Entstehen von Organschäden einhergehen. Diese Biomarker wurden in die Diagnosedefinition im Jahr 2014 aufgenommen, da man Patienten bereits behandeln wollte, bevor Organschäden auftreten, so wie man einen Darmpolypen entfernt und nicht erst wartet, bis er die Darmwand als Darmkrebs zerstört hat. Für diesen Zweck eigneten sich die sogenannten SLiM-Kriterien als Biomarker, da für diese vorab gezeigt worden war, dass bei Vorliegen nur eines dieser Kriterien das Risiko, innerhalb von 24 Monaten Organschäden zu entwickeln, bei 80% und höher lag. „S“ steht dabei für „sixty“. Gemeint ist ein Knochenmarkbefall von über 60% Plasmazellen. „Li“  steht für ein Verhältnis der betroffenen freien Leichtkette geteilt durch die nicht-betroffene freie Leichtkette von über 100 und „M“ steht für mehr als eine Veränderung (größer als 5 mm im Durchmesser) im Knochenmarksignal einer Ganzkörper-MRT-Untersuchung.

Nachdem die Diagnose eines Multiplen Myeloms gestellt wurde und damit auch eine Behandlungsbedürftigkeit besteht, ist eine der häufigsten Patientenfragen diejenige nach der Prognose. Im Wissen, dass der Mensch nicht in die Zukunft blicken kann, besteht hier die Möglichkeit, sich an der Stadieneinteilung zu orientieren, die eine Einteilung in niedriges, normales und hohes Risiko erlaubt. Patienten in der Niedrigrisikogruppe sprechen - statistisch gesehen - eher besser und länger auf die Therapien an als Patienten in der Normal- und erst recht in der Hochrisikogruppe.
Das Stadium nach dem „International Staging System“ (ISS) kann sehr leicht anhand von zwei Laborwerten bestimmt werden, die vor Therapiebeginn erhoben werden müssen (Tabelle 2). Eine neuere und verbesserte Einteilung nach R-ISS (R steht für engl. „revised“ = überarbeitet) stützt sich zudem auf den Laborwert „LDH“ und die zytogenetische FISH-Untersuchung, bei der die Chromosomen in den Plasmazellen aus dem Material der Knochenmarkpunktion analysiert werden.

Tab 2

Tab. 2 Stadieneinteilung des Multiplen Myelom nach dem International Staging System (ISS) und R-ISS [bestimmte Chromosomenveränderungen in den Myelomzellen definieren eine Hochrisiko-Zytogenetik; liegen diese Veränderungen nicht vor, handelt es ich um ein Standardrisiko].

 

„Smoldering myeloma“ (vor sich hin köchelndes , bzw. schwelendes Myelom)

Schwieriger ist die Frage nach der Behandlung beim Vorliegen eines „Smoldering Myeloma“. In diesem Fall liegt der Grad des Plasmazellbefalls im Knochenmark bei 10-59% oder es zeigt sich ein M-Protein im Serum über 3 g/dl oder über 500 mg/24h im Urin. Zudem dürfen weder Organschäden nach CRAB vorliegen noch Biomarker nach SLiM-Kriterien.

In diesem Fall handelt es sich um eine inhomogene Gruppe von Patienten, von denen die Hälfte ein frühes Multiples Myelom hat, die andere Hälfte ein MGUS. Leider können wir diese beiden Gruppen auch im Zeitalter der Gensequenzierung noch nicht einwandfrei voneinander unterscheiden.

Besteht ein solches „Smoldering Myeloma“ liegt das Risiko für die Entstehung einer bösartigen Krebserkrankung des Knochenmarks bei 10% pro Jahr in den ersten 5 Jahren, in den Folgejahren dann bei 3% pro Jahr und schließlich bei 1% pro Jahr (Abbildung 3). Eine Behandlungsbedürftigkeit besteht im Rahmen der Routineversorgung aktuell nicht, nur die Notwendigkeit für engmaschige Kontrollen im Dreimonatsrhythmus. Bei Patienten mit Hochrisiko-Smoldering Myeloma, d.h. bei Patienten mit einem Risiko von 50% und höher für einen Ãœbergang in ein Multiples Myelom innerhalb von 24 Monaten, kann bei entsprechender Verfügbarkeit in der Region über eine Studienteilnahme nachgedacht werden. Aktuell befinden sich zahlreiche Studien in der Auswertungsphase, wobei unterschiedliche Behandlungsansätze von der milden Immuntherapie bis hin zur Hochdosistherapie mit autologer Stammzelltransplantation verfolgt werden. Zum aktuellen Zeitpunkt kann durch eine intensive Therapie mit einer 4er-Komination über 2 Jahre oder gar durch ein Hochdosiskonzept über 3 Jahre bei 98% der behandelten Patienten der Ausbruch einer aktiven Erkrankung verhindert werden. Dies ist bei nicht behandelten Patienten nur bei 20% der Fall. Erst die Zukunft wird zeigen, ob und für welche Patientenuntergruppe dies auch in der Routine empfohlen werden kann. Dazu bedarf es einer ausgewogenen Berücksichtigung und Abwägung der Nebenwirkungen, der Lebensqualität und der Effektivität.

Zur Risikoeinschätzung gibt es den sehr einfachen 2-20-20 Score sowie den etwas komplexeren Score der International Working Group (Tabelle 3). 3). Unter https://qxmd.com/calculate/calculator_847 kann man seine Laborwerte eingeben und erhält daraufhin seine Risikogruppe mit dem dazugehörigen statistischen medianen Ãœberleben zum Stand 2021.

Abb 3

Abb. 3 Wahrscheinlichkeit des Fortschreitens in eine behandlungsbedürftige Erkrankung, getrennt dargestellt für MGUS und Smoldering Myeloma.

Tab 3

Tab. 3 Der Mayo-2-20-20-Score und der Smoldering Myeloma IMWG-Score ermöglichen eine bessere Risikoeinschätzung für das Fortschreiten des Smoldering Myeloma in eine behandlungsbedürftige Erkrankung [„FLC“ steht für Free Light Chain  = Freie Leichtkette]

Verfasser: Prof. Fenk, Heinrich Heine-Universität Düsseldorf, Februar 2023

 

 

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