Arbeitsgemeinschaft Multiples Myelom

Arbeitsgemeinschaft Multiples Myelom (Plasmozytom, Morbus Kahler)
Online-Netzwerk für Patienten/-innen und Angehörige

In tiefer Trauer nehmen wir Abschied von Joseph Seil-Rommes,
der nach einem langen Kampf gegen das Multiple Myelom von uns gegangen ist.
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In der klinischen Entwicklung sind neue immunmodulatorische Substanzen, d.h. Nachfolgesubstanzen von Thalidomid, Lenalidomid und Pomalidomid, sogenannte CelMoDs (Iberdomid und CC-92480). Beide Substanzen sind im Reagenzglas und erfreulicherweise auch bei Patienten deutlich wirksamer als z.B. Lenalidomid und Pomalidomid. Auch bei Patienten, die auf Lenalidomid bzw. Pomalidomid nicht mehr ansprechen, ist ein Rückgang der Myelomparameter bei mehr als 25% der Patienten festzustellen.

Neue Anti-CD38-Antikörper (neben Daratumumab)

Isatuximab ist ein weiterer Anti-CD38-Antikörper, der in verschiedenen Kombinationen geprüft wurde. Die Kombinationen von Isatuximab + Carfilzomib/Dexamethason ist z.B. für Patienten interessant, die auf eine Therapie mit Lenalidomid und/oder Pomalidomid nicht (mehr) ansprechen.

Neue Substanzen: Selinexor, Venetoclax

Eine neue, inzwischen zugelassene Substanz ist Selinexor. Dieser Wirkstoff zeigte beim Multiplen Myelom in der Kombination mit Dexamethason auch bei Patienten, bei denen funf Substanzen nicht mehr wirkten, noch zu 25% ein Ansprechen. Selinexor wird jetzt auch in anderen Kombinationen mit Daratumumab/Bortezomib/Carfilzomib weiterentwickelt. Als Nebenwirkungen traten vor allem Fatigue [chronische Erschöpfung], Appetitlosigkeit, leichte Übelkeit und auch Blutzellverminderungen auf. In der Boston-Studie konnte Selinexor (1 x Selinexor/Woche) in Kombination mit Bortezomib (1 x pro Woche)/Dexamethason (2 x pro Woche) in der 2.-4. Therapielinie im Vergleich zu Bortezomib/Dexamethason ein deutlich längeres PFS (13.9 vs 9.4 Monate) zeigen.

Eine weitere Substanz, die in Studien schon verfügbar ist und von den Krankenkassen teilweise für den Einsatz genehmigt wird, ist der BCL2-Hemmer Venetoclax, der vor allem bei Patienten mit Multiplem Myelom, bei denen eine Translokation (11;14) nachgewiesen wird, sehr wirksam ist. Auch diese Substanz kann in verschiedenen Kombinationen eingesetzt werden. Dies wird in Studien derzeit intensiv untersucht. Unter Venetoclax kommt es vor allem zu Nebenwirkungen im Magen- Darm-Trakt und zu Blutbildveränderungen im Sinne einer Unterdrückung der Blutbildung.

Neue Immuntherapien: Immuntoxine (an Antikörper gekoppelte Anti-Myelom-Wirkstoffe)

Belantamab Mafodotin ist ein in 2020 zugelassenes, neues Immunkonjugat, ein sogenannter ADC (antibody drug conjugate). Dieser gekoppelte Wirkstoff besteht aus einem Antikörper, der das Oberflächenmolekül BCNIA bindet und mit einem Verbindungsstuck (Linker) eine zytostatische Substanz direkt an die Myelomzelle heranfuhrt. Dadurch wird die Myelomzelle durch den Antikörper, die Antikörper-vermittelte Immunreaktion und das direkt an die Myelomzelle herangeführte Zytostatikum abgetötet.  Auch bei stark vorbehandelten Patienten mit drei, vier oder mehr Linien an Vortherapie ist Belantamab Mafodotin sehr wirksam.  Selbst bei einer Vorbehandlung noch zusätzlich mit Daratumumab wird ein Ansprechen bei mehr als 25% der Patienten beobachtet. Ohne Daratumumab-Vorbehandlung sind die Ergebnisse noch besser. Die Zeit ohne Fortschreiten der Erkrankung betrug bei einem Teil der Patienten mehr als ein Jahr. Nebenwirkungen dieser Substanz betreffen vor allem das Auge, d.h. die Patienten haben zum Teil Keratopathien (Hornhautschädigungen) mit Sehstörungen mit Augenbrennen und Lichtempfindlichkeit, die sich aber grundsätzlich vollständig zurückbilden. Trotz dieser Nebenwirkungen und auch bei einem ggf. auftretenden Abfall der Blutplättchen wurde nach Absetzen der Substanz oder Unterbrechungen der Therapie ein langanhaltendes Ansprechen gesehen.

 

 T-Zell-basierte (Immunzell-basierte Therapien)

 

A) Bispezifische Antikörper

Weitere neue Substanzen, die in Studien geprüft werden, sind sogenannte bispezifische Antikörper. Das sind kleine Moleküle, welche die Immunzellen über Bindung an das CD3 Molekül und zusätzliche Bindung an ein Oberflächenmolekül auf der Tumorzelle, die zum Teil gegen andere Zellen oder Erreger gerichtet sind, direkt an die Myelomzelle heranführen und diese abtöten helfen. Es gibt inzwischen acht verschiedene bispezifische Antikörper, die gegen das Oberflächenmolekül BCMA gerichtet sind, von denen sich die Mehrzahl in sehr fortgeschrittenen klinischen Prüfungen befinden. In Deutschland bereits für unsere Patienten in der 4. Therapielinie sind verfügbar: Teclistamab über ein named-patient program und Elranatamab über ein extended access program. Hier wird für die zugelassene Dosis ein Gesamtansprechen von mindestens 60% angegeben und bis zu 40% komplette Remissionen, welche zum Teil auch bei den massiv vorbehandelten Patienten schon über ein Jahr anhalten. Vorteil der bispezifischen Antikörper ist die wöchentliche und nach gewisser Vortherapie auch zweiwöchentliche und dann vierwöchentliche Verabreichung. Einige der bispezifischen Antikörper stehen inzwischen für eine Verabreichung alle 3 Wochen zur Verfügung. Teilweise werden die Antikörper infundiert, teilweise ist auch eine Anwendung als Spritze unter die Haut möglich.

Weitere bispezifische Antikörper sind gegen andere Oberflächenmoleküle gerichtet, so zum Beispiel das Molekül FcRH5 oder das Molekül GPRCSD, die ebenfalls fast exklusiv auf Myelomzellen vorkommen und deren Zulassung (Talquetamab-GPRC5D) auch unmittelbar bevorsteht. Die Nebenwirkungen der GPRC5D-gerichteten bispezifischen Antikörper sind etwas unterschiedlich zu den BCMA-gerichteten bispezifischen Antikörper und CAR T-Zellen. Sie scheinen weniger Infektionen auszulösen, aber im Unterschied zu BCMA-gerichteten bispezifischen Antikörpern und CAR T-Zellen zusätzlich Haut-, Schleimhautnebenwirkungen auszulösen (z.B. Mundschleimhautentzündungen, Nagelveränderungen, Hautveränderungen, etc.).

Die Hauptnebenwirkungen der bispezifischen Antikörper bestehen in einer überschließenden Entzündungsreaktion (sog. Zytokin-Freisetzungssyndrom) und neurologischen Ausfällen, die aber überwiegend kurzanhaltend und so gering ausgeprägt sind, dass sie keine intensivere Therapie erforderlich machen, aber zumindest muss bei der Erstanwendung meist in steigender Dosierung die Substanz stationär über Nacht gegeben werden. Ein Problem sind Infektionen, zum Teil mit eher seltenen Erregern, die teilweise auch schwere und sogar tödliche Verläufe nehmen können. Daher sollten die Patienten auf das Auftreten von Infektionen hin untersucht werden und auch vorbeugende Maßnahmen und rasche Behandlungen eingeleitet werden.  Es werden auch Blutbildveränderungen im Sinne einer Verminderung von bestimmten weißen Blutkörperchen und von Blutplättchen beschrieben (Neutropenie und Thrombozytopenie).

B) CAR-T-Zellen

Vielversprechend sind auch sogenannte CAR T-Zellen, also Immunzellen, die genetisch so verändert werden, dass sie Myelomzellen erkennen und vernichten können. Das Produkt Ide-cel wurde in Europa 2021 und Cilta-cel 2022 zugelassen. Selbst bei Patienten, die sich in der 6. Linie der Therapie befinden, wird noch ein Gesamtansprechen von 80-100% und ein komplettes Ansprechen von 39-82% in den zugelassenen Dosierungen feststellbar.  Die Nebenwirkungen der CAR T-Zelltherapie sind beim Myelom bisher deutlich geringer ausgeprägt als bei Patienten mit aggressiven Lymphomen oder Akuter Lymphatischer Leukämie. Allerdings treten nichtsdestotrotz bei etwa 3-5% der Patienten schwere, überschießende Entzündungsreaktionen und reversible neurologische Ausfälle auf. In seltenen Fällen können auch Parkinson-ähnliche Symptome auftreten. Es kommt auch zu längerfristigen Blutzellverminderung, wie Neutropenie und Thrombozytopenie, die zum Teil mehrere Monate bei stärkerer Ausprägung anhalten können und mit einem höheren Infektionsrisiko einhergehen. Teilweise wurden hier sogar Stammzellen gegeben, um die Blutbildung zu stabilisieren.  Neben Ide-cel und Cilta-cel sind eine Fülle von anderen CAR T-Zellen mit neuen Konstrukten, die gegen das BCMA-Molekül, aber auch CPCR5D gerichtet sind, bereits in fortgeschrittener klinischer Prüfung. 

2023, überarbeitet von Prof. Herman Einsele, Universitätsklinikum Würzburg (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

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